Autor*in im Gespräch

Autorin im Gespräch 14: Sigrid Obermair | Lungomare. Gedichte vom Süden

Geschrieben von Sonja

Wir setzen unsere Interview-Reihe “Autor*innen im Gespräch” mit Sigrid Obermair fort, die 2022 ihren ersten Lyrikband Lungomare. Gedichte vom Süden* veröffentlichte, über den die Radiomoderatorin, Claudia Stöckl, folgendes sagt: 

Gedichte, die Italien spürbar machen und berühren. Und davon erzählen, dass es sich lohnt, seine Träume auch zu leben.

INHALT

Stell dich bitte kurz vor:

Foto: Debora Vinai

Ich verbrachte meine Kindheit und Jugend in Oberösterreich.
Nach dem Studium der Betriebswirtschaft war ich Geschäftsführerin des internationalen Konzerns Johnson & Johnson. Nach 15 Jahren habe ich diese Top-Position gekündigt und folgte meinem Traum, in Sizilien zu leben. Zurück in Österreich, war ich im Management des MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst – in Wien tätig, habe eine internationale Coaching- und Trainerausbildung absolviert und Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl studiert.
Seit der Gründung meines eigenen Unternehmens 2007, arbeite ich als Coach, Trainerin und sinnzentrierte Beraterin nach Viktor Frankl und entwickle eigene Kunstprojekte.
Im Juni 2022 wurde mein erster Lyrikband „Lungomare. Gedichte vom Süden*” veröffentlicht.
Ich lebe in Wien, im Salzkammergut und an der italienischen Riviera.

Wie hast du das Schreiben für dich entdeckt und wie lange schreibst du schon?

Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, in der ich nicht geschrieben hätte.
Was sich in der Tasche immer befand, waren Notizbuch und Bleistift – auch jetzt noch.

Schreiben, insbesondere Lyrik war und ist ein Weg, meine Erlebnisse und Erfahrungen zu verarbeiten, sie zu verdichten,

basierend auf dem Spruch der amerikanischen Schriftstellerin und Drehbuchautorin, Joan Didion:

Ich weiß nicht, was ich darüber denke, bis ich es aufschreibe.

Beim Lesen dieser Aussage erkenne ich, welche Bedeutung das Schreiben von Gedichten hat: Erfahrung von Tiefe, Selbsterkenntnis und das Erleben von Momenten, die ich als „Poesie des Lebens“ begreife.

Wie hast du den Schreibprozess angelegt?

Zirka zwei Jahre vor Erscheinung meines Lyrikbandes im Juni 2022, habe ich Freund*innen aus meinen Gedichten vorgelesen und bemerkt, wie sehr sie davon berührt wurden und mir wurde bewusst, dass meine Verse ihren Sinn verfehlen, wenn sie nur als Worddokumente auf meinem Laptop bleiben.
An dieser Stelle möchte ich auch den renommierten Neurologen, Psychiater und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, Viktor Frankl zitieren:

Der Sinn zieht und dem Sinn kann man sich nicht entziehen.

Als ich dann mit einer meiner Lieblingsgrafikerinnen begann, die Gedichte zu visualisieren, wusste ich, dass der Zeitpunkt gekommen war, sie zu veröffentlichen! Davor bat ich von mir geschätzte Autoren und Autorinnen, meine Gedichte zu lesen. Nachdem diese mich uneingeschränkt in der Herausgabe bestätigten, ging alles sehr schnell.

Ich überarbeitete meine ausgewählten Gedichte, legte sie einer geschätzten Lektorin vor, beauftragte meine Grafikerin mit der Umsetzung und schickte mein fertig gestaltetes Buch an einen deutschen Verlag, den ich über Empfehlung einer Autorin fand und der sich dankenswerter Weise sofort für die Herausgabe entschied.

Was war die größte Herausforderung bei der Umsetzung deiner Buchidee und was hat dir dabei am meisten Spaß gemacht?

Speziell Italien schenkt mir täglich immer wieder aufs Neue, die scheinbar kleinen Augenblicke, die „Momente der Lebenspoesie“ sind: Nadeln von Schirmpinien, die Blüte eines Oleanderbusches, die zu Boden fällt, Palmenzweige, die sich im Wind bewegen oder der Duft von frischen Feigen in der Luft, um einige Beispiele zu nennen.
Dem nachzuspüren und auf den Grund zu gehen, was mir in der Tiefe in diesen besonderen Momenten nahe geht und mich ergreift und diesen Gefühlen in Worten und Versen eine Sprache zu geben, habe ich in so manchen Phasen als Herausforderung und als Erfüllung zugleich erlebt.

Durch Lyrik erschließt sich dem Menschen ein Universum, das fern von Sinneseindrücken der äußeren Welt ist, ähnlich der Musik, wie E.T.A. Hoffmann in einem Zitat schreibt: 

Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.

Erfüllt hat mich zudem die Entscheidung, meinen Gedichtband gemeinsam mit meiner wunderbaren Grafikerin selbst zu gestalten. Der Prozess, in dem wir mehrere Entwürfe prüften, uns für Format und Typografie entschieden und jedes Gedicht – basierend auf der generellen grafischen Linie – umsetzten, war ein intensiver Arbeitsaufwand und dennoch ein wunderbar Beglückender.

Dein Lyrikband trägt den Titel „Lungomare. Gedichte vom Süden“, wie kam es dazu?

Italien mit seinen Landstrichen, seinen Meeren an sonnigen Küsten und speziell seinen Menschen und dem so anderen Lebensgefühl, war mir im Leben, Ort beseelten Schauens und Glücks, aber auch Zuflucht, Trost und Hafen. Diesem Land im Süden, das mein Sehnsuchtsort ist, habe ich meinen ersten Lyrikband gewidmet.

Als ich die Gedichte für diesen Band zusammenstellte, ist mir klar geworden, dass in fast jedem Gedicht das Meer und seine Gestade in einer Form immer präsent sind, mitschwingen und mitrauschen und ich konnte auf einmal die Zeilen von dem österreichischer Schriftsteller Hermann Broch verstehen, der schreibt: diejenigen, die am Meer leben, können kaum einen einzigen Gedanken bilden, von dem das Meer nicht ein Teil wäre.
Da die Gedichte von Italien und dem Süden erzählen, wollte ich meinem Lyrikband einen italienischen Buchtitel geben. Lungomare, was übersetzt auf Deutsch bedeutet: die Küsten entlang des Meeres, war für mich der passendste und auch lyrischste Titel.

Die grafische und farbliche Illustration sowie die „Buchausstattung“ (inkl. Bändchen) sind sehr ansprechend gewählt. Warst du in die Gestaltung eingebunden?

Als grafische Begleiterin für meinen Lyrikband habe ich mir Larissa Cerny ausgewählt, die als freie Grafikerin und Designerin im Kunst- und Kulturbereich unter anderem mit dem Schwerpunkt Informations- und Buchdesign arbeitet. Ihre Liebe zur Lyrik war ein zusätzliches weiteres Kriterium, mich für sie zu entscheiden. Ihre brillanten Farbkompositionen stellen meine Worte und Gedanken jedes einzelnen Gedichtes als fulminanten Subtext kongenial dar.

Jeder Schritt der Umsetzung, wie die Entscheidung für einen Entwurf, die Wahl der Typografie und des Formates bis hin zu den Detaillayouts der einzelnen Gedichte, sind in intensiver Zusammenarbeit und Absprache mit mir entstanden.
Meine Erfahrung im Kunstbereich, in dem ich unter anderem viele Buchprojekte realisieren konnte, war auch in der Gestaltung meines Lyrikbandes sehr hilfreich.

Hast du dir für das Schreiben des Buches Unterstützung geholt?

Bei der Entscheidung, mit meinen Gedichten an die Öffentlichkeit zu gehen, war mir die kritische Meinung zu meinem Erstentwurf, von geschätzten und erfahrenen Autorinnen und Autoren wichtig.
Einen erfahrenen Lektor an der Seite zu haben, der nicht nur über Kompetenz im Lektorat von Texten verfügte, sondern darüber hinaus die notwendige Kompetenz und Liebe zur Lyrik mitbrachte, war zudem wesentlich. Die Suche gestaltete sich als schwierig. Der richtige Lektor wurde mir schlussendlich vom Verlag zur Verfügung gestellt, der jede Seite mit der notwendigen Sorgfalt auf grammatikalische und semantische Richtigkeit und sprachlichen Ausdruck prüfte.

Für das Schreiben und die Entwicklung des Sprachgefühls ist die intensive Beschäftigung mit Literatur – in meinem Falle im Besonderen mit Lyrik – unverzichtbar.

Hans Magnus Enzenbergers „Museum der modernen Poesie“ – ein Buch, das hundert Dichter aus aller Welt inkludiert und die Gedichte des Lyriknobelpreisträgers Eugenio Montale* – der große Sohn Genuas, der durch meinen Zweitwohnsitz in Ligurien mir besonders nahesteht, sind dafür Beispiele.
Die Teilnahme an einem Schreibworkshop, im speziellen den Austausch mit erfahrenen Autorinnen und Autoren, habe ich für ein zukünftiges Buchprojekt bereits ins Auge gefasst.

Wie lange hat es gedauert, bis du den ersten fertigen Lyrikband in Händen gehalten hast und wie war das Gefühl?

Vom Zeitpunkt der Entscheidung, einen Gedichtband herauszugeben, bei dem die Gedichte bereits vorlagen, bis zum Zeitpunkt des Drucks vergingen ca. 18 Monate. Zu berücksichtigen ist, dass in diese Zeitspanne auch die komplette Gestaltung meines Buches fiel. Mein erstes Exemplar hielt ich – nachdem der Kurier zwei Wochen brauchte, um meine Adresse in Italien zu finden – auf meiner Terrasse über dem Meer in den Händen.

Es war ein Gefühl von purer, überschwänglicher Freude. Intensiv erlebte ich auch das Gefühl des „Friedens“, da mein Buch ein Sehnsuchtsprojekt war, um das mir in der Nichtrealisierung am Ende meines Lebens leid gewesen wäre.

Wie vermarktest du deinen Lyrikband?

Eine fundierte Pressearbeit, die ich an Christina Werner, die ich aus meiner Zusammenarbeit im MAK kenne und die ich für Ihre Erfahrung im Kunstbereich schätze, übergeben habe, hat die Vermarktung meines Lyrikbands mitunterstützt.

Über Social-Media zu kommunizieren, ist heute elementar, wenn es darum geht, seine eigene „Fan-Gemeinde“ aufzubauen. Ich entschied mich, trotz entgegengesetzter Meinung erfahrener Social-Media Experten, neben der bestehenden beruflichen Seite als Coach und Trainerin, zu einer eigenen Seite als Autorin.

Zusätzlich wird das Buch auf der Homepage angekündigt und in meinen Newslettern thematisiert. In Abstimmung mit dem Verlag empfinde ich weiters die Zusammenarbeit mit Buchhandelsketten und ausgewählten Buchhändlern, mit Lyrik-Schwerpunkt, als wesentlich. Blicke ich auf die einzelnen Marketing-Aktivitäten, so war die Veranstaltung von Lesungen, an ausgewählten stimmigen Orten, am meisten erfüllend und auch die erfolgreichste Aktivität.

Was rätst du Menschen, die von einem eigenen Buch träumen?

Wenn ich von einem eigenen Buch träume, dann steht dahinter ein Wert, etwas, das für mich elementar ist. Die wichtigste Antwort ist: Ich würde diesem Traum unbedingt nachgehen!

Im Prozess des Schreibens würde ich mir eine kritische Meinung von erfahrenen Autorinnen und Autoren holen, vielleicht auch in einem Schreibworkshop, wie es von Treffpunkt Schreiben angeboten wird.

Werde ich im Schreiben meines Buches bestärkt, dann braucht es eine Entschiedenheit, sich von destruktiven Meinungen nicht beirren zu lassen. Ich hörte oft Aussagen wie: „Du wirst als unbekannte Autorin keine Chance auf dem Buchmarkt haben“ oder „Du wirst keinen Verlag finden“. Ich ließ mich davon nicht beirren, glaubte an mein Buch und an mich, auch der Verlag, den ich dankenswerterweise fand.

Planst du ein weiteres Buch, oder ist das aktuell (noch) kein Thema für dich?

Ich habe durch meinen ersten Lyrikband wieder gemerkt, wie wichtig und erfüllend für mich das Schreiben ist. Ich bin am Überlegen, den Lyrikband in einer zweiten Auflage in Deutsch-Italienisch herauszugeben, auch einen weiteren Lyrikband wird es geben.
Wenn die Zeit reif ist, möchte ich meinen ersten Roman schreiben, zu dem ich bereits Ideen habe.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Hier findest du weitere Infos:

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Bildquelle: Canva, Buchinnenansicht Foto Treffpunkt Schreiben, Fotos: Debora Vinai, Cover: Lonogmare, Grafisches Konzept, Illustration uns Satz: Larissa  Cerny, Foto: Copyright Omnino Verlag, Berlin, 2022

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