Schreibimpulse

Schreibimpuls – Mörderisch gute Dialoge (Kürzestkrimi)

Schreibimpuls, Treffpunkt Schreiben, Dialog schreiben, Krimi, Kürzestkrimi
Geschrieben von Veronika

Manchmal will es mit dem Schreiben einfach nicht klappen, das Blatt Papier bleibt leer. Von Schreibfluss oder in den Flow kommen – keine Spur. Dann helfen Schreibimpulse. 
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Wer kreativ schreiben möchte, muss sich früher oder später mit dem Thema “Dialog” auseinandersetzen. Schließlich haben die entwickelten Figuren auch etwas zu sagen. 💬 Manchmal mehr als einem vielleicht lieb ist 😉.

Bei einem meiner “Recherche-Streifzüge” bin ich im Buch What if? – Writing Exercises for Fiction Writers* von Anne Bernays und Pamela Painter auf folgendes Zitat gestoßen. (Hier auch der Link* zur deutschen Version des Buches.)

Dialogue generally goes for the heart of the story, the exchange that matters, the confrontation.

Freie Übersetzung: Der Dialog widmet sich im Allgemeinen dem Kern der Geschichte, dem entscheidenden Austausch, der Konfrontation.

Und da hatte ich einen Geistesblitz 💡: Das lässt sich doch perfekt mit einem Kürzestkrimi verbinden. Einem Krimi, der die Handlung auf wenige Zeilen Text verDICHTET, den Kern der Geschichte. Bei diesem Kürzestkrimi soll der Dialog im Mittelpunkt 🎯 stehen.

Ziel dieses Schreibimpulses ist es also, einen Kürzestkrimi zu schreiben, der hauptsächlich aus Dialog besteht. Ein entscheidender Austausch. Eine Konfrontation.

Klingt spannend? Dann #schreiblos

Was ist ein Kürzestkrimi?

Ein Kürzest- oder auch Postkarten-Krimi, wie wir ihn in diesem Schreibimpuls entwickeln wollen, hat nicht mehr als 850 Zeichen (inkl. Leerzeichen). Er soll auf eine Postkarte (A6) passen.

Merkmale

Außerdem weisen Kürzestkrimis – ähnlich wie Kurzgeschichten – oft folgende Merkmale auf:

  • Einen direkten Einstieg in die Handlung (keine Einleitung)
  • Eine begrenzte Zahl an Figuren (max. 3)
  • Die Handlung umfasst EINE entscheidende Situation (Momentaufnahme)
  • Ein offenes, oft auch überraschendes Ende (Die Lösung des Falles ist großteils der Fantasie der Leser*innen überlassen. 🕵️‍♀️ 🕵️)

Beispiele

Er starb an einem Herzinfarkt als Margit den letzten Schleier fallen ließ. Mit Schweinsbraten, Stelze und Schwarzwälder-Kirsch hatte sie für Bluthochdruck und verkalkte Gefäße gesorgt. Ihr aufreizender Hüftschwung gab dem alten Tyrannen den verdienten Rest. Nun wollte sicher auch Lore, ihre beste Freundin, bauchtanzen lernen. Kochen konnte sie nämlich schon.

Lisa Lercher (DUM – DAS ULTIMATIVE MAGAZIN)

Bärlauch-Pesto
„Was gibts denn heute?“
„Pesto“, sag ich. Du Arschloch!, denk ich mir, sag ich aber nicht.
„Welches?“
„Bärlauch. Selbstgemacht“, sag ich. Extra für dich, denk ich mir, sag ich aber nicht.„Ich hab nicht viel Zeit.“
„Geht ganz schnell“, sag ich. Du wirst rechtzeitig bei ihr sein, denk ich mir, sag ich aber nicht.
„Hoffentlich ohne Maiglöckchen.“
„Mach keine Witze“, sag ich. Wer es ernst meint sammelt Herbstzeitlose, denk ich mir, sag ich aber nicht.
„Krieg ich da Knoblauch-Atem?“
„Hast du ein Date?“ Denk ich mir. Ups, das hab ich auch gesagt.
Er lacht.
Ich nicht.
„Schmeckt gut. Heute wird es übrigens spät“.
„Ich warte“ sag ich. Ein letztes Mal, denk ich mir, sag ich aber nicht.

Veronika Hallwirth (Crime Club Postkarten Krimi Schreibwettbewerb 2020)

Schritt 1: In “Plauderstimmung” kommen (Warmschreiben) 😉

Von null auf Dialog zu kommen, ist gar nicht so einfach. Deshalb schreiben wir uns kurz warm. 🖋

Nutze eine der folgenden Dialog-Zeilen als Einstieg für einen Dialog zwischen zwei Personen:

  • “Ist das Blut?”
  • “Das, überlebst du nicht.”
  • “Werd jetzt nicht wütend, aber …”
  • “Du hast mein Tagebuch gelesen?”

✍️ Schreib einfach drauf los und lass den Dialog entstehen.
Denk nicht über die Qualität des Textes nach. Es geht darum, ins Schreiben zu kommen. Auch völlig abstruse Wendungen sind erlaubt.
⏱ Nimm dir 7 Minuten Zeit.

Schritt 2: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum? Die Eckpunkte festlegen.

Für das perfekte Verbrechen 🕵️‍♀️🕵️ musst du folgende Eckpunkte festlegen:

  1. Wer ist das Opfer?
  2. Wer ist der Täter?
  3. Was war die Mordwaffe?
  4. Wann ist der Mord passiert?
  5. Wo ist der Mord passiert?
  6. Wie ist der Mord abgelaufen?
  7. Was war das Mordmotiv (Eifersucht, Machtgier, Enttäuschung, Rache, Lust, Habgier, Vertuschung)

✍️ Sammle zu allen 7 Punkten schriftlich zwei bis drei Ideen.
✍️ Lies dir die gesammelten Ideen noch einmal durch und wähle zu jedem Punkt eine aus. Überlege nicht zu lange. Verlass dich auf deine Intuition.
⏱Nimm dir dafür 10-15 Minuten Zeit.

Schritt 3: Wer führt den mörderisch guten Dialog und wann?

Herzstück deines Kürzestkrimis soll ein Dialog sein. Aber wer führt diesen entscheidenden Austausch und wann? 

Hier ein paar Beispiele:

  • Opfer und Täter*in (kurz vor der Tat)
  • Täter*in und Zeugin (am Tatort)
  • Täter*in mit einem/r Bekannten (15 Jahre nach der Tat)
  • Ermittler*in und Täter*in (beim Verhör)
  • Täter*in führt ein Selbstgespräch (kurz nach der Tat)

Empfehlung: Limitiere deinen Dialog auf maximal zwei Figuren. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass du vom Kern der Handlung abschweifst und der Text zu lang wird.

✍️ Sammle Ideen in einem Brainstorming. Dies kann beispielsweise in Form einer Liste, eines Freewritings oder eines Clusters erfolgen.
⏱Plane dafür 5-10 Minuten ein.

Schritt 4: Kurze Zusammenfassung

Fasse nun, bevor du mit dem Schreiben des Dialoges beginnst, die Handlung deines Kürzestkrimis zusammen. 4 Zeilen reichen dafür aus:

  • Wer unterhält sich?
  • Wann unterhalten sich die Figuren?
  • Was tun die Figuren während der Unterhaltung?
  • Wodurch entsteht der Konflikt?

Hier ein Beispiel:

Eine Serienmörderin und ihre Nachbarin unterhalten sich.
Die Unterhaltung findet zufällig statt, nachdem die Serienmörderin schon einige Taten begangen hat.
Die eine kümmert sich während dieser Unterhaltung um ihre Komposthaufen. Die andere ist bemüht, über den Zaun zu schauen.
Im Komposthaufen tauchen menschliche Überreste auf.

Es handelt sich bei dieser Zusammenfassung übrigens um den Plot des Postkartenkrimis “Kompost” von Sabine Hartmann. Diesen kannst du hier nachlesen.

✍️ Entscheide dich für eines, der in Schritt 3 gesammelten Szenarien. Nimm die in Schritt 2 gesammelten Eckpunkte zur Hand und fasse die Handlung deines Kürzestkrimis in 4 Sätzen zusammen.
⏱ Stelle den Timer auf 7 Minuten.

Schritt 5: Dialog, Dialog, Dialog

So. Alle Vorbereitungen sind getroffen. Die Eckpunkte sind klar. Jetzt geht es ans Schreiben.

Einzige Vorgabe: Der Dialog steht im Mittelpunkt der Szene!

Versuche, deine Ideen möglichst spontan zu Papier zu bringen. Grüble nicht zu lange. Wenn du beim Schreiben von deiner ursprünglichen Idee abweichst, ist das kein Problem. Es geht um die Erstellung eines ersten Entwurfs, eines Rohtextes!

Empfehlung: Schreibe mehrere Varianten deines Krimis (z. B. aus unterschiedlichen Perspektiven). Nimm dir für jeden Entwurf eine möglichst kurze Zeitspanne vor. So überlistest du die kritische innere Stimme und bringst deine Ideen zügig aufs Papier.

✍️ Schreibe drei Versionen zu deiner Krimi-Idee.
Arbeite zügig und denke dabei noch nicht über die Qualität des Textes nach. Es geht nur darum, deine Ideen zu Papier zu bringen.
⏱ Nimm dir für jede Version 5 Minuten Zeit.
Viel Spaß!

Schritt 6: Den Text überarbeiten

Du hast deine Ideen rasch aufs Papier gebracht. 🙌 Die Texte, die so entstanden sind, sind Rohtexte. Sie müssen noch überarbeitet werden.

Bei der Überarbeitung kannst du dein Augenmerk auf folgende Punkte legen:

Kürzen. Lässt sich dein Text weiter verDICHTEN?
Kannst du beispielsweise noch direkter in die Geschichte einsteigen?
Gibt es Füllwörter, Wiederholungen, Floskeln, die du streichen kannst?
Vergiss nicht, ein Kürzestkrimi erlaubt nicht mehr als 850 Zeichen (inkl. Leerzeichen). 😱

Ist immer klar, wer spricht? Prüfe, ob beim Lesen immer deutlich heraus kommt, wer gerade am Wort ist. Arbeite mit Redeeinleitungen oder gib deinen Figuren individuelle Sprechmerkmale, um Anhaltspunkte für den/die Leser*in zu schaffen.

Kopfkino. 🎞 Entstehen beim Lesen Bilder?
“Nur” Dialog kann dazu führen, dass sich der/die Leser*in die Szene nicht bildlich vorstellen kann. Da braucht es Hilfestellung im Text. Du kannst beispielsweise Hinweise zur Körpersprache, zum Aussehen der Figuren, zu dem was, sie gerade tun oder zum Setting, in dem sie sich bewegen, einbauen. Erlaub dir dabei ruhig unterschiedliche Sinne anzusprechen.

Subtext. Wenn wir uns unterhalten, sagen wir viel ohne es “zu sagen”. Gib dem/der Leser*in die Möglichkeit, zwischen den Zeilen zu lesen.
Prüfe, was du im Dialog vermitteln kannst, ohne es direkt zu sagen.
Wer ist im Gespräch in der “stärkeren” Position?
Welche Emotionen werden spürbar?
Was bleibt unausgesprochen?

Mehr hilfreiche Tipps zum Überarbeiten von Dialogen findest du übrigens in diesem Blog-Beitrag von Maike Frie: Dialoge schreiben – 10 Tipps

✍️ Lies dir alle drei Versionen deines Kürzestkrimis durch und markiere dabei alle Textstellen/Wörter, die dich ansprechen, die besonders spannend sind oder dir für deinen Krimi wesentlich erscheinen.
✍️ Wähle eine der drei Versionen aus, die du weiter überarbeiten möchtest.
✍️ Überarbeite deinen Text anhand der oben skizzierten Punkte.
⏱Plane für die Textüberarbeitung 15-20 Minuten ein.

Geschafft! 👏

Zum Abschluss noch ein 

(Buch)TIPP:

Wer mehr Inspiration und Ideen sucht, wie man in wenigen Zeilen ein Verbrechen begeht, findet diese im „Lehr- und Übungsbüchlein“ Kürzestkrimis schreiben von Sabine Hartmann.

Dein Kürzestkrimi ist fertig? Dann teile ihn mit uns in den Kommentaren. Wir freuen uns, von dir zu lesen 😊.

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Bildquelle: Canva, Treffpunkt Schreiben

6 Kommentare

  • Hello!
    Ihre Beratung ist wie immer tadellos. Ich war nie ein Anhänger von Kurzthrillern, aber jetzt denke ich darüber nach.
    Im Vergleich zum Schach ist das Blitzschach, kein klassisches Schach.
    Viel Glück!

    • Hallo Valery,
      Es freut mich sehr, dass dich der Schreibimpuls anspricht. ☺️ Wenn du dich entschließt einen Kürzestkrimi zu schreiben, wäre ich natürlich sehr neugierig auf das Ergebnis.😉 Vielleicht möchtest du den Text dann in den Kommentaren mit uns teilen. Wir würden uns sehr freuen.
      Alles Liebe,
      Veronika

  • Bin gestern über diese Seite gestolpert und habe entschieden, mich an einem Kürzestkrimi auszuprobieren.
    Hier kommt er:

    Ein Ehepaar

    Sie wirft die Haustür zu.
    „Ist das Blut?“, fragt er. Sein Blick wandert über ihre Bluse.
    „Was glaubst du?“
    Er hebt die Hände. „Was hast du getan?“
    Schweigen.
    „Was du getan hast?“
    Sie sieht ihn an. „Das weißt du!“
    Er zuckt zurück. Geht rückwärts. Stößt an die Wand.
    „Das, was ich schon längst hätte tun sollen!“
    Sie kommt näher. Zwei Schritte. Einen. Brust an Brust.
    Seine Hand zittert, als er sich kalten Schweiß von der Stirn wischt. Er sieht sie an.
    „Was ist aus uns geworden?“
    „Das“, sagt sie.
    Er sieht den Stahl des Messers aufblitzen. Schmerz. Dunkel.
    Es riecht nach Benzin, als sie geht.

    © Judith, 12. August 2024

    Bin gespannt auf deine Rückmeldung.
    Sonnige Grüße
    Judith

    • Liebe Judith,

      wir freuen uns sehr, dass du bei uns vorbeigeschaut hast und dich auch gleich inspirieren hast lassen. 🙂 Wow, beim Lesen deines Kürzestkrimis ist es mir richtig kalt den Rücken runtergelaufen. Da entstehen ganz viele starke Bilder und ich bin versucht die Geschichte selbst mit meinen Ideen zu füllen. Woher kommt das Blut auf ihrer Bluse? Was ist in dieser Beziehung passiert, dass sie so endet? Wie geht es weiter? Den letzten Satz finde ich auch wirklich gelungen. Ich kann richtig sehen, wie die ganze Szene in Flammen aufgeht. Herzlichen Dank fürs Teilen deiner Geschichte. Wir hoffen, du stolperst jetzt öfter mal auf Treffpunkt Schreiben vorbei. 😉 Alles Liebe,
      Veronika

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