Autor*in im Gespräch

Autorin im Gespräch 18: Vera Zischke | Ava liebt noch

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Geschrieben von Sonja

Vera Zischke überzeugte die Jury bei unserem  FLASHbewerb 2023 mit ihrem Text „Der Regen ist Fanta“. 

Nun liefert sie uns 304 Seiten neuen Lesestoff, denn sie hat ihren Debütroman “Ava liebt noch“* veröffentlicht. 

Wir freuen uns mit ihr und haben sie im Rahmen unserer Blogreihe “Autorin im Gespräch” interviewt. Lass dich inspirieren! Viel Spaß beim Lesen. 🙂

INHALT

 

Stell dich bitte unseren Leser*innen vor?

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©Anna Schwartz

Ich bin Vera Zischke, dreifache Mama, Zeitungsreporterin, Rheinländerin im Ruhrgebiet und seit 1. August auch ganz offiziell Schriftstellerin. 

Manchmal muss ich mich immer noch kneifen.

Wie hast du das Schreiben für dich entdeckt?

Ich habe in der ersten Klasse angefangen und einfach nicht mehr aufgehört. Meine Mutter hat heute noch einen Koffer mit meinen Kinderbriefen. Mit etwa zehn schrieb ich ihr:

Mein Stift ist begabter als mein Mund.

Wenn ich etwas ausgefressen hatte, habe ich mich schriftlich erklärt, das fiel mir leichter. Später wurde ich Journalistin, weil ich nichts anderes machen wollte als Schreiben. Der Roman kam mir immer vor wie ein weit entfernter Traum. Heute weiß ich, dass mir ein Thema als entscheidender Antrieb fehlte. Das kam mit meiner Auseinandersetzung mit dem Mutterideal und führte zu meinem Debüt „Ava liebt noch“.

Dein Roman “Ava liebt noch” wurde im August bei List/Ullstein veröffentlicht. Wie kam der Kontakt mit dem Verlag zustande?

Ich habe Ava liebt noch* im stillen Kämmerlein geschrieben und habe erst danach angefangen, mich mit der Buchwelt zu beschäftigen.

Ich hatte nichts zu verlieren und habe mich Schritt für Schritt durchgehangelt. Ich brauche eine Agentur? Gut, dann lese ich jetzt alles über LiteraturagentInnen und höre jeden Podcast zum Thema. Ich brauche eine richtig gute Bewerbung? Okay, dann mache ich jetzt ein Exposé-Lektorat.

Schließlich schrieb mich meine jetzige Agentin Sabrina Haja über Instagram an, wir kamen ins Gespräch und sie nahm mich unter Vertrag. Sabrina hat mich damals nach meinem Wunschverlag gefragt und meinte, es könne nie schaden zu wissen, wo man sich sieht. Ich habe Ullstein genannt und konnte kaum fassen, als der Verlag tatsächlich ein Angebot abgab.

Sowohl der Titel “Ava liebt noch” als auch das Buchcover finden wir sehr gelungen! Hattest du ein Mitspracherecht bei der Auswahl?

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©Ullstein, Evgeny-Potapkin

Die Geschichte zum Buchcover ist eine meiner liebsten. Ich bin im Internet auf der Suche nach einer Art Stimmungsbild auf ein Gemälde des Künstlers Evgeny Potapkin gestoßen. Für mich drückte es alles aus, was ich mit Ava verbinde: eine wiedererwachende Frau. Ich habe das Bild eigentlich für mich als Inspiration genutzt. Meine Agentin meinte, es wäre zwar ungewöhnlich, aber ich solle es ruhig mal dem Verlag schicken. Wie es ausgegangen ist, wisst ihr ja. 😉
Der Titel war eine Gemeinschaftsarbeit, ein Hin- und Hergetexte per Mail und WhatsApp, bis der jetzige Titel irgendwann regelrecht „eingerastet“ ist.

Lass uns bitte über deinen Schreibprozess bei der Entstehung des Buches sprechen: Wie hast du den Schreibprozess angelegt?

Der Schreibprozess von Ava liebt noch* musste sich komplett meinem damaligen Leben anpassen. Ich war mit meinen drei kleinen Kindern zu Hause, war damals freie Texterin und schrieb oft abends Auftragstexte, die mich allerdings nicht erfüllten.

Das literarische Schreiben begann als Spielerei nach dem späten Feierabend. Ich vermisste den Flow, den ich vom Journalismus kannte, und hatte Themen, die ich mir von der Seele schreiben musste. Dann war plötzlich Ava geboren und es entwickelte sich ein regelrechter Sog. Ich musste diese Geschichte unbedingt aus mir rausschreiben. Manche Nächte bis zum Morgengrauen.
Später habe ich die Rohfassung behauen wie einen Marmorblock. Mit jeder Überarbeitung habe ich die Konturen meiner Figuren und die Dramaturgie stärker herausgeschält.

Treffpunkt Schreiben: Du hast den Roman nicht nur aus Sicht der Protagonistin Ava erzählt, sondern wechselst auch immer wieder in die Perspektive ihres jungen Liebhabers. Ich muss zugeben, das hat mich beim Lesen überrascht.

Warum war es dir wichtig, die Geschichte aus beiden Blickwinkeln zu erzählen?

Auch das war ein Prozess. In der Rohfassung gibt es nur Avas Perspektive. Doch dadurch blieben lange Strecken von Kierans Leben unsichtbar, denn schließlich spielt die Handlung über einen längeren Zeitraum. Zudem gefiel es mir, die Gegensätzlichkeit der beiden herauszuarbeiten. Ava nimmt die Erwartungen an ihre Frauenrolle komplett an, Kieran lehnt die klassische Rollenerwartung an ihn als Mann ab.

Treffpunkt Schreiben: Du beschreibst mehrmals, wie schwierig es für die Protagonistin Ava ist, in Worte zu fassen, was sie in ihrer Rolle als Mutter so auslaugt. Warum sie das Gefühl hat, dass ihr Leben darauf ausgerichtet ist, sich um die Bedürfnisse anderer zu kümmern und warum es ihr alleine nicht gelingt, aus diesem Hamsterrad auszubrechen. Ich kann das „Fehlen von Worten“ beim Versuch anderen diese Gedanken zu vermitteln, persönlich extrem gut nachvollziehen und ich glaube, es geht vielen Müttern so. Als Autorin hast du in diesem Roman genau das geschafft: Dieses „Funktionieren“ für den/die Leser*in nachvollziehbar zu machen und in Worte umzusetzen.

War es für dich schwierig, die Worte zu finden, die Ava fehlen? Wie bist du damit umgegangen?

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©Ullstein

Es war bisweilen extrem schwierig. Die schlimmsten Momente während der Überarbeitungen waren die, wenn ich nicht wirklich zeigen konnte, was ich sagen wollte. Ich kam mir vor wie eine Malerin, die das fertige Bild im Kopf hat, es aber nicht zu Papier bringen kann. Ich war ziemlich hart zu mir und habe meine darlings immer wieder gekillt.

Treffpunkt Schreiben: Das Ende und der Anfang des Romans sind auf sehr charmante Weise miteinander verwoben. Mich hat dieses „Schließen des Kreises” als Leserin gut abgeholt.

Hast du die Idee im Laufe des Schreibens entwickelt oder war dir von Anfang an klar, dass dein Roman so enden soll?

Das freut mich. Das Ende hat eine komplette Wandlung erfahren, in der Rohfassung hatte ich etwas ganz anderes vor Augen. Der Einstieg ist dagegen erhalten geblieben. Das heißt, dass etwa zwei Jahre zwischen der ersten und der letzten Szene liegen. 

In der Zeit hat sich auch mein privates Leben sehr verändert. Meine Kinder wurden größer, ich bin wieder in den Journalismus zurückgekehrt, mein Selbstverständnis als Mutter hat sich sehr verändert. Ich habe mich quasi mit Ava vom Mutterideal verabschiedet. Für mich ist die Bezugnahme auf den Anfang also auch ein ganz persönliches Fazit nach einer sehr prägenden Zeit.

Holst du dir für das Romane schreiben Unterstützung?

Ich nutze keine spezielle Software oder Rituale. Mein Schreiben muss sich zwischen Familie und Job so unkompliziert wie möglich einfügen, und wenn es nicht anders geht, tippe ich auch schon mal in die Handynotizen-App. 

Allerdings habe ich mich fortgebildet. Ich habe im Rahmen eines Stipendiums eine zweijährige Ausbildung in Dramaturgie, Figurenbau etc. absolviert. Wir haben in einer kleinen Gruppe eng mit einem Lektor zusammengearbeitet und an verschiedenen Texten gearbeitet. Genau das suche ich.

Schreiben ist für mich viel Handwerk,
noch mehr Übung und eine gute Prise Zauberei.

Und ich habe einen engen Kreis an Testleserinnen, zu dem inzwischen auch Autorenkolleginnen gehören. Ohne sie wäre mein Autorinnenleben sehr einsam.

Hast du auch über Self-Publishing nachgedacht – wäre es für dich eine Option gewesen?

Ich hatte damals ein Bild vor Augen von meinem Buch im stationären Buchhandel. Ich habe Selfpublishing nicht kategorisch ausgeschlossen, aber ich wollte erst den klassischen Weg ausprobieren, nach dem Motto: Mal gucken, ob Träume wahr werden.

Treffpunkt Schreiben: Du promotest deinen Roman aktiv auf Instagram & Facebook, hast einen Buchtrailer gedreht, zahlreiche Reels und Beiträge sowie Storys geteilt. 

Welche Bedeutung hat – deiner Erfahrung nach – Social Media für den Erfolg eines Buchprojektes? Welche dieser Maßnahmen sind bei deiner Fangemeinde am besten angekommen?

Das ist eine gute Frage. Bei mir ist es noch zu früh, um Bilanz zu ziehen. Ich bin im Moment vor allem in einer rosaroten Ava-Bubble und überwältigt von den Reaktionen aus der Bookstagram-Community. 

Ich bin überhaupt kein strategischer Typ. Ich kann Social Media nicht nach Plan machen, dann würde es zur Pflichtaufgabe. Ich mache und schreibe das, worauf ich Lust habe. So bin ich auch bei allem anderen vorgegangen. Buchtrailer? Au ja! TikTok? Lieber nicht. Am besten angekommen und immer wieder nachgefragt ist meine Reel-Reihe „Der Verlag ruft an“. Die letzte Folge ist schon eine Weile her. Ich finde, da könnte als Dankeschön mal wieder was Neues kommen.

Schreibenden wird oft geraten, viel zu lesen. Wie handhabst du das? Magst du uns verraten, welches Buch du aktuell liest und/oder ein Buch empfehlen, das dich als Autorin beeinflusst/geprägt hat?

In den Babyjahren meiner Kinder habe ich überhaupt nicht gelesen, das hole ich jetzt nach. Ich stürze mich auf alles, was mir interessant erscheint. Als Autorin faszinieren mich die Leerstellen. Oft liegt der Sog einer Geschichte in dem, was nicht erzählt wird. Perfekt gelingt das Donal Ryan in Seltsame Blüten*. 

Eine Geschichte, die im weitesten Sinne als Inspiration für Ava liebt noch* diente, ist Normal People* von Sally Rooney. Ich habe das Buch zweimal hintereinander verschlungen und dachte: Wie toll wäre es, wenn es so eine bittersüße Liebesgeschichte auch mal mit einer Frau in meinem Alter und aus meiner Welt gäbe?

Vielen Dank für das Gespräch, Vera.

Hier findest du weitere Infos zu Vera:

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©Anna Schwartz

Alle Folgen unserer Interviewreihe Autor*in im Gespräch zum Nachlesen:

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