Autor*in im Gespräch

Autor im Gespräch 16: Daniel Bleckmann | KoboldKroniken

Geschrieben von Sonja

In Interview Nr. 16 unserer Blogreihe Autor*innen im Gespräch unterhalten wir uns mit dem Spiegel-Bestseller- und KoboldKroniken*-Autor, Daniel Bleckmann, u.a. über folgende Themen:

  • Wie gestaltet Daniel seinen Schreibprozess – mit oder ohne Plotten?
  • Was versteht er unter Plotlogikblockaden und Plotausdünnungsblockaden und wie behebt er diese?
  • Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen ihm als Autor und Thomas Hussang, dem Illustrator?
  • Welche Unterstützung nutzt Daniel beim Schreiben?
  • Wie entstand der Kontakt zu den drei Verlagen, bei denen er bereits veröffentlicht hat?
  • Hatte Daniel Einfluss bei der Auswahl des Covers?
  • Welche Bedeutung haben die Sozialen Medien für den Erfolg von Büchern?
  • Welchen Tipp gibt er Schreibenden?

Lass dich inspirieren. Wir wünschen dir viel Spaß beim Lesen! 🙂

Stell dich bitte unseren Leser*innen vor?

© Thomas Hussung

Mein Name ist Daniel Bleckmann, ich bin 46, Lehrer und Autor und wohne am Niederrhein.

Wie hast du das Schreiben für dich entdeckt?

Mit 15 habe ich mit den klassischen Paper&Pen-Rollenspielen angefangen (Das Schwarze Auge, Dungeons&Dragons). Darin habe ich für meine Spielcharaktere immer Hintergrundgeschichten verfasst. Seitenlang. Ich glaube, das war meine Initialzündung für das Schreiben von fantastischen Geschichten.

Wie sieht dein Schreibprozess aus? Bist du jemand, der sehr detailliert plottet oder schreibst du eher einmal darauf los, um ein Gefühl für das Ganze zu bekommen?

Ich plotte. Heldenreise, 3- Akt-Struktur oder nach Blakes Snyders Übersicht aus „Save the cat“, mitunter auch sehr minutiös, wie bei meinen Zeitreiseromanen bei KOSMOS. Im Großen und Ganzen aber immer nur so viel, dass ich zu 80% weiß, wie die Geschichte verläuft, wie die Figuren sich von Pol zu Pol entwickeln.

Im Falle der KoboldKroniken* habe ich neben dem Plot-Entwurf über viele Bände auch eine 100-seitige Serienbibel geschrieben, in der die Lore verankert wurde, also z. B. wie die Mechanismen für Unsichtbarkeit bei Kobolden sind, wie die offiziellen Bold-Regeln lauten und welche Monster und Pflanzen in der unterirdischen Welt Kwertz existieren.

Treffpunkt Schreiben: Du hast mal erzählt, dass du keine Schreibblockaden hast, sondern meist Plotlogikblockaden oder Plotausdünnungsblockaden.

Was verstehst du darunter und wie gehst du mit diesen Blockaden um?

Diese „Blockaden“ entstehen, weil ich eben nur zu 80% einen Roman plotte. Beim Schreiben entdecke ich dann meist unlogische Wendungen oder Plotholes, weil ich eben nicht sauber genug vorher nachgedacht und notiert habe. Dann bügele ich aber so lange an den Falten meines Geschichtengewands herum, bis alles schön glatt ist. Das kostet natürlich Zeit, so dass ich mir jedes Mal vornehme, beim nächsten Mal die 80% noch ordentlicher zu plotten. Insgeheim will ich das aber gar nicht, da in den 20% oft das Spannende und die Magie des Schreibens liegen.

Holst du dir für das Schreiben deiner Bücher Unterstützung?

In meiner Anfangszeit als Autor, also noch vor dem ersten Roman, habe ich mir z. B. konkreten Rat von Andreas Eschbach eingeholt, dessen Stil und Art zu erzählen, ich sehr schätze. Bei Family Quest* waren dann eine Menge Testleser*innen am Start. Bei den KoboldKroniken hatten wir dazu leider keine Zeit mehr, es hätte aber auch wegen dem sehr aufwändigen Gestaltungsprozess der Bücher nicht funktioniert. Somit sind Thomas und ich selbst (sowie meine Kinder) derzeit die einzigen „Korrektur-Instanzen“. Aber ich höre weiterhin in meinem Job als Lehrer sowie als Autor auf Lesungen genau hin, um den Ton zu treffen.

Seit dem ersten Roman schreibe ich mit PapyrusAutor. Abwechselnd plotte ich mit dieser Software und der Software DramaQueen.

Du hast bereits in mehreren Verlagen (Ueberreuter, Kosmos, Oetinger) veröffentlicht. Wie kam hier der Kontakt zustande?

Bei jedem Buch klassisch über meine Agentin Birgit Arteaga aus der gleichnamigen Literaturagentur.

Ich kann nur empfehlen, sich eine Agentur zu suchen, denn diese hat nicht nur beide Füße in den Türen der Verlage, sie kann auch die Aufgaben der Vertragsverhandlungen um so viel besser gestalten.

Hast du auch über Self-Publishing nachgedacht – wäre es für dich eine Option gewesen?

Nachgedacht natürlich. Aber wegen meinen beiden Jobs ist Zeit ein rares Gut und als Selfpublisher hätte ich mich um so viel mehr kümmern müssen (Lektorat, Korrektorat, Coverdesign, Marketing, Vertrieb usw.), das hätte nicht funktioniert.

Treffpunkt Schreiben: Deine sehr erfolgreiche Kinderbuch-Reihe KoboldKroniken* ist (lt. Verlag) für Kinder ab 9 Jahren geeignet. Vor dem Interview habe ich den ersten Band gelesen, bin in eine neue Lesewelt eingetaucht. Mit den Büchern aus meiner Kindheit (Drei ???, Hanni & Nanni, Astrid Lindgren, …) lässt sich dieses Leseerlebnis für mich kaum vergleichen.

Treffpunkt Schreiben: Die KoboldKroniken* sind anders, irgendwie ist viel los: Es gibt kurze Textabschnitte, Einschube, Einklebungen von Indizien, Erinnerungen, Collagen und Comicelemente. Text und Illustration scheinen ineinander verwoben. Ein bissl hatte ich Sorge, was zu übersehen, zu überlesen. 😉

Cover: ©Thomas Hussung

Wie haben Thomas Hussung, der Illustrator der KoboldKroniken und du zusammengearbeitet, damit diese Kinderbuchreihe entstehen konnte? Was war zuerst da? Der Text, die Illustration? Wie habt ihr diese Vielfalt an Text- und Bildsorten entwickelt?

Also erst mal: Keine Sorge, dass du etwas beim ersten (!) Lesen verpassen könntest. Die Romane sind bewusst so gestaltet, dass sie auch beim zweiten und dritten Lesen/Schmökern immer noch Überraschungen bereithalten. Die KoboldKroniken* halten es da wie die Asterix-Comics: Achte beim erneuten Lesen mal nur auf den Hund Idefix!

Zuerst war die Idee: Unser Schulsystem wird von Kobolden unterwandert, anders sind seltsame Lehrer, Schulleiterinnen, aber auch Mitschüler mitunter nicht zu erklären.

© Thomas Hussung

Dann habe ich Thomas angerufen und gefragt, ob er Bock hätte, ein Buch mit ganz vielen Monstern mit mir zu entwickeln. Denn ich hatte noch keine Geschichte, geschweige denn einen Verlag, sondern nur die Idee und eine grobe Story und einen Protagonisten im Kopf. Da Thomas große Lust hatte, haben wir uns erstmal hingesetzt und Worldbuilding betrieben sowie zusammen die Kobolde zeichnerisch entwickelt.

Danach habe ich eine Präsentation erstellt, in der neben Inhaltsskizze, den gezeichneten Hauptfiguren, einer Zielgruppenanalyse auch eine Doppelseite im Stil der späteren Bücher präsentiert wurden. Diese Präsentation ging dann an meine Agentin, die sofort begeistert war. Ein fertiges Manuskript gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Birgit und Michaela (= Agentin von Thomas) haben diese Präsentation dann an mehrere Verlage verteilt. Es waren eine ganze Reihe von Verlagen interessiert, aber Oetinger hat das charmanteste Angebot gemacht; denn sie haben gleich einen ganzen möglichen Kobold-Kosmos angedacht.

Treffpunkt Schreiben: Mittlerweile existiert ein umfangreicher KoboldKroniken-Kosmos: Neben dem Buch und der Hörbuchvariante, gibt es Rätsel, einen Spieleblock, ein Kwartett, ein Comic-Zeichenbuch, ein Puzzle, usw., sogar eine kostenlose Spiele-App. Auch die Filmrechte sind bereits optioniert.

War das von Anfang an so geplant? Hattest du beim Schreiben daran gedacht, dass dieses Buchprojekt so „groß“ wird? 

Nein, habe ich nicht. Ursprünglich hatte ich einen Comicroman mit Fantasyaspekten im Sinn, vielleicht mit der Hoffnung auf mehr als nur einen Band. Dass es nun schon so viele Nebenprodukte gibt, die übrigens in der Mehrzahl auch von Thomas und mir gestaltet werden, ist natürlich eine Riesenchance, die Geschichte auf so vielen Ebenen und in unterschiedlichen Produkten weitererzählen zu dürfen. Denn egal ob Top Trumpf-Kwartett*, Comic-Zeichenbuch* oder Kwest-Puzzle*, in jedem Produkt warten mehr Hintergrundinfos zu den Figuren und der Koboldwelt Kwertz auf die Leserinnen und Leser.

Du bist auf Instagram & Facebook sehr aktiv, teilst viele Informationen mit deiner Fangemeinde: Welche Bedeutung hat – deiner Erfahrung nach – Social Media für den Erfolg eines Buchprojektes?

Das ist sehr schwer zu beantworten. Generell bin ich auf Insta, weil es mir Spaß macht, im Tagebuchstil über mein Autorenleben zu berichten. Den ein oder anderen Leser werden die Posts sicherlich auch auf meine Bücher aufmerksam machen. Ich glaube aber, dass das Gros des Erfolgs noch immer über die Buchhandlung und die Mund-zu-Mund-Propaganda laufen; jedenfalls für das Genre Kinderbuch und in meiner Zielgruppe, Stichwort „Schulhofgespräch“. Auf der anderen Seite der Buchwelt wären viele Young Adult-Romane ohne Insta sicherlich nicht da, wo sie heute sind.

Treffpunkt Schreiben: Apropos Infos auf Instagram: Du schreibst, dass es für den ersten Band der KoboldKroniken 40 Coverentwürfe gab. Das Cover war  ja auch als bestes Cover 2023 beim Lovely Books Community Award nominiert!

Cover: ©Thomas Hussung

Hattest du Mitsprachemöglichkeit bei der Coverauswahl? Nach welchen Kriterien fiel die Entscheidung?

Thomas hat damals einen Entwurf von Band 1 nach meinen Ideen gemacht, der dann aber überhaupt nicht gepasst hat. Dann haben wir einen zweiten Entwurf besprochen, einen dritten usw., immer in enger Kommunikation mit unserer sehr cleveren Lektorin Janina Dieckmann vom Oetinger Verlag.

Das ganze Projekt der KoboldKroniken erfordert demnach generell viel Kommunikation zwischen den drei Ecken des Dreiecks „Autor-Illustrator-Lektorin“. Ich glaube, dass diese Arbeitsweise in der Verlagswelt ziemlich selten ist. Denn normalerweise sieht ein Illustrator den Text erst, wenn er fertig, d.h. auch komplett fertig lektoriert ist. Bei unserem Projekt geht es aber ständig hin und her, so dass Thomas auch Autor und ich auch Illustrator bin, bzw. machen wir beide Vorschläge, die dann von dem professionelleren von uns beiden dann jeweils in „schön“ umgesetzt werden.

Treffpunkt Schreiben: Auf deiner Website habe ich das Zitat: »Schnelligkeit ist notwendig, um Flöhe zu fangen, aber nicht, um Bücher zu schreiben« entdeckt.

Was ist hilfreich, um ein Buch zu schreiben? Hast du einen Tipp, worauf Menschen, die schreiben möchten, achten sollen?

Das ist wiederum einfach zu beantworten, obwohl es nach außen dennoch schwer erscheint:

Setzt euch hin und schreibt das Buch! Und zwar bis an sein Ende! Dann werft es weg und schreibt es noch mal. Denn gute Geschichten entstehen erst in der Überarbeitung. Dazu braucht man vor allem eines: Durchhaltevermögen; von mir aus nennen wir es auch Disziplin.
Meine Erfolgsformel lautet: Erfolg = Vorbereitung (also plotten) + Ausdauer + Glück (zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Idee da zu sein).

Ihr seht, Talent spielt in der Formel keine Rolle. Schreiben kann man lernen, das ist kein Hexenwerk. Ich habe 10 Jahre gelernt, bevor ich mich mit meinem ersten Buch auf die Suche nach einer Agentin gemacht habe.

Schreibenden wird oft geraten, viel zu lesen. Wie handhabst du das? Liest du gerne/viel/wenig? Magst du uns verraten, welches Buch du aktuell liest und/oder ein Buch empfehlen, das dich als Autor beeinflusst/geprägt hat?

So wie ich mir jeden Tag die Zähne putze, lese ich auch jeden Tag. Auch wenn es nur ein paar Seiten sind. Aktuell lese ich Walter Moers’ „Die Insel der 1000 Leuchttürme“*. Wenn es einen Autor gibt, dessen kreative Welten mich tief beeindrucken, dann er!

Generell sollte man als Autor alles lesen, was einem zwischen die Finger kommt (wenn diese denn Pause vom Dauerschreiben haben).

Denn darin liegt die Krux: Seit ich selber Bücher schreibe, die auch veröffentlich werden, kann ich nur schwer ohne die analysierende Autorenbrille lesen. Aber das gehört nun mal zum Business dazu.

Gibt es Fragen, die wir nicht gestellt haben, die du allerdings gerne beantwortet hättest? Fühle dich frei, sie zu ergänzen und zu beantworten.

„Wieso eigentlich nur Kinderbücher?“ werde ich mitunter gefragt. Herrje, über diese Frage könnte ich mich schon aufregen. Sind Kinderbücher einfacher, schlechter, schneller zu schreiben und damit weniger wert? Ich schreibe meine Bücher in allererster Linie für mich selbst und denke erst in der Überarbeitung an die Zielgruppe. Wenn dann auch noch Erwachsene zu mir kommen und sagen, dass sie die KoboldKroniken mit all ihren popkulturellen Eastereggs und subversiven Anspielungen über die Schulwelt mit Genuss gelesen haben, dann bin ich ein glücklicher Autor.

Vielen Dank für das Gespräch, Daniel. Das war echt knorke. 😉

Hier findest du weitere Infos zu Daniel:

Weitere Folgen unserer Interviewreihe “Autor*innen im Gespräch” zum Nachlesen:

Bildquellen: Titelbild: © Daniel Bleckmann, Cover & Grafiken Autor und Illustrator: © Thomas Hussung

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