Auf „Treffpunkt Schreiben“ wollen wir zeigen, wie vielfältig das Thema „Schreiben“ sein kann. Daher sind eine zusätzliche Perspektive, unterschiedliche Erfahrungsschätze und neues Expert*innen-Know-how herzlich willkommen !
Wir freuen uns, über den Gastbeitrag von Tom Oberbichler, Autor und Buchmentor.
Viel Spass beim Lesen.
Heute ist es nicht mehr einigen wenigen vorbehalten Bücher zu schreiben und sie zu veröffentlichen. Durch die digitale Revolution in der Buchbranche und den Möglichkeiten, die Amazon mit seinem KDP (Kindle Direct Publishing) Programm für das Selfpublishing geöffnet hat, ist es heute grundsätzlich sehr einfach, dein Buch in die Welt zu bringen.
Damit du dann auch tatsächlich Leserinnen und Leser gewinnst, brauchst du nicht irgendein Buch, du musst ein gutes Buch schreiben, bzw. gute Bücher.
Die Freiheit, die uns das Selfpublishing (das Veröffentlichen ohne Verlag) bietet, bringt auch die vollständige Verantwortung für das Produkt: dein Buch.
Du musst also auf die Qualität deines Buches achten.
Das betrifft, das Erscheinungsbild (Cover und Buchsatz) genauso, wie den Inhalt.
Von deinem ersten Manuskript bis zum fertigen, zur Veröffentlichung bereiten, Buchtext ist ein langer Weg. Ein Weg, den du nicht alleine gehen solltest, wenn dir Qualität wichtig ist.
Ein professionelles Lektorat (Hilfe bei der inhaltlichen, strukturellen und stilistischen Optimierung) kann da wahre Wunder wirken.
Ein professionelles Korrektorat (Hilfe beim möglichst Fehlerfreimachen) ist unerlässlich und sollte immer der letzte Schritt sein, bevor dein Buch in den Buchsatz geht.
Gerade bei der Frage, ob ein professionelles Lektorat unbedingt notwendig ist, scheiden sich die Geister und die Diskussionen darüber werden oft sehr heiß geführt. Lektorieren ist wesentlich besser bezahlt als Korrekturlesen und somit ist das Lektorat für die meisten (Selfpublishing) Buchprojekte der mit Abstand größte Budgetposten. Davor schrecken viele Autorinnen und Autoren zurück.
Was tun Testleser*innen?
Eine mögliche Ergänzung (oder auch Ersatz?) für das Lektorat ist die Zusammenarbeit mit Testleser*innen.
Testleser*innen, auch Betaleser*innen genannt, bekommen dein Buch schon vor der Veröffentlichung zu lesen und geben dir Feedback zu unterschiedlichen Aspekten. Figurenentwicklung, Aufbau, Schreibstil, aber auch Tippfehler sind mögliche Themen, auf die sie achten.
Ich selbst bin seit 2011 Selfpublisher und gut mit erfolgreichen Autorinnen und Autoren vernetzt, daher weiß ich, dass viele von ihnen Teams von Testleser*innen haben und mit ihnen produktiv zusammenarbeiten.
Ich habe für den Mission Bestseller Podcast eine Auswahl von Autorinnen und Autoren interviewt und genau nachgefragt.
Ich hatte Poppy J. Anderson, Sarah Saxx, Joshua Tree, Jana von Bergner, Ralph Edenhofer und Sam Feuerbach zu Gast und habe mit ihnen über ihre Zusammenarbeit mit Testleser*innen gesprochen.
- Wie findest du Testleser*innen?
- Welche Aufgaben gibst du deinen Testleser*innen?
- In welcher Phase des Schreibprozesses bekommen deine Betaleser*innen den Text zu Gesicht?
- Wie kommunizierst du mit deinem Testleseteam?
Das sind Fragen, die sie mir beantwortet haben und ich folge gern der Einladung von Sonja und Veronika einige der wichtigsten Erkenntnisse hier für dich zusammenzufassen.
Wie finde ich Test*leserinnen?
Hier herrschen vor allem zwei Wege vor. Einerseits der eigene Bekanntenkreis und andererseits begeisterte Leser*innen. (Das zweite klappt natürlich erst beim zweiten Buch oder bei einer langen Schreibgeschichte vor dem Buch, etwa einem Blog.)
Was ich bei allen Autor*innen festgestellt habe ist, dass ihr Testleseteam sich über die Jahre entwickelt und verändert hat. Manche kommen frisch dazu, andere gehen, das ist ein normaler Vorgang.
Fast immer hat sich das erste Testleseteam „ergeben“, ist also organisch im Laufe des Schreibprozesses entstanden, weil die Autor*innen über das Buchprojekt gesprochen haben.
Natürlich sind auch öffentliche Einladungen oder Aufrufe ein Weg Interessierte zu finden, wenn du die Menschen gar nicht kennst – und sie vielleicht dich auch nicht – dann wirst du allerdings viel Arbeit mit dem Aussortieren haben.
Worauf sollte ich bei der Auswahl von Testleser*innen achten?
Ganz wesentlich ist, dass deine Testleser*innen zu dir passen und – was inhaltliches Feedback angeht – auch der Zielgruppe angehören, für die du schreibst.
Du brauchst für dein Team Menschen, die dir offene Kritik wertschätzend mitteilen können.
Deine Testleser*innen sollen dir nicht nur ständig auf die Schultern klopfen, sie sollen dich auf Widersprüche und Fehler hinweisen, damit du dein Buch optimieren kannst. Wie deutlich sie dabei sein sollen – das hängt ganz von dir ab, davon, wie du auf Kritik reagierst und in welcher Form du Verbesserungsvorschläge am besten annehmen kannst.
Kommunikation ist wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und du darfst dir ein Team zusammenstellen, das wahrlich zu dir passt.
Welche Aufgaben stelle ich meinen Testleser*innen?
Du solltest dich nicht darauf verlassen, dass deine Betaleser*innen automatisch auf die Dinge achten, die dir wichtig sind. Indem du ihnen klare Fragen und Aufgaben stellst, können sie dir am effektivsten helfen.
Hier haben viele Autor*innen, mit denen ich gesprochen die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Testleser*innen sich am besten für bestimmte Aufgaben eignen.
Die einen achten am liebsten auf die Entwicklung von Figuren, andere haben ein gutes Gespür für den logischen Aufbau des Buchs, wieder andere sind gut darin Tippfehler zu entdecken.
Mach dir die Stärken der Personen zunutze, indem du ihnen die Aufgaben gibst, die am besten zu ihren Fähigkeiten und Vorlieben passen.
So garantierst du auch, dass deine Betaleser*innen auf ihre Kosten kommen. Sie machen das ja gratis für dich und sollen Spaß dabei haben. So bleiben sie lange bei dir und ihr könnt euch gemeinsam entwickeln.
Wieviele Test*leserinnen brauche ich?
Das kommt darauf an.😊 Die meisten erfolgreichen Autor*innen arbeiten mit 3 – 5 Testleser*innen. Manche haben größere Gruppen von bis zu 20.
Hier ist es wichtig, dass du deine Testleser*innen nicht mit Rezensent*innen verwechselt, die dein fertiges Buch lesen und öffentlich rezensieren, vielleicht in einer Leserrunde auf Lovelybooks. Das sind zwei komplett verschiedene paar Schuhe.
Während du möglichst viele ehrliche Rezensionen willst, brauchst du nur so viele Test*leserinnen, wie wirklich nötig.
Du musst ja mit ihnen kommunizieren und wenn du da wirklich 20 Menschen mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammenholst, kann das richtig viel Arbeit machen, ja sogar deine Produktivität beim Schreiben massiv stören.
Wie kommuniziere ich mit meinen Testleser*innen?
Hier bin ich in meinen Gesprächen auf zwei unterschiedliche Herangehensweisen gestoßen.
Während die einen mit jeder Testleserin, jedem Testleser einzeln kommunizieren (untereinander tauschen sich die Testleser*innen bei diesem Model in der Regel nicht aus), kommunizieren die anderen in einer Facebook-Gruppe mit allen mehr oder weniger gleichzeitig.
1:1 treffen via Zoom, Telefon oder vor Ort kommen ergänzend zur schriftlichen Kommunikation hinzu.
Manche nutzen auch Audionachrichten für den raschen Austausch.
In welcher Phase meines Schreibprozesses hole ich meine Testleser*innen an Bord?
Hier bin ich fast auf jede denkbare Kombination getroffen:
- Einige Autor*innen geben bereits einzelne Kapitel an ihr Testleseteam weiter, andere machen es mit der Rohfassung.
- Manche überarbeiten das Manuskript erst selbst und geben es dann weiter.
- Manche Autor*innen ersetzen das Lektorat komplett durch ihre Testleser*innen, andere geben es zum Lektorat, nachdem sie das Feedback ihres Teams eingearbeitet haben.
- Manchmal lesen ausgewählte Testleser*innen sogar nach dem Lektorat noch einmal den Text.
Der letzte Schritt ist immer ein professionelles Korrektorat.
Zusammenfassend
Du siehst, Testleser*innen können dir helfen dein Buch wesentlich besser zu machen – wenn sie denn zu dir passen, du sie entsprechend ihrer Fähigkeiten und Vorlieben einsetzt und eine Kommunikationsform findest, die für alle Beteiligten klappt. Fest steht, dass das kein Selbstläufer ist, sondern mit einem gehörigen Arbeitseinsatz von dir verbunden ist. Den Weg, der zu dir passt, findest du auch hier nur in der Praxis. Nimm dir aus meinen Anregungen die 2, 3 Punkte, die du sofort in die Tat umsetzen kannst und beginne zu experimentieren.
Mit den Erfahrungen, die du dabei machst, lernst du so dir Schritt-für-Schritt den Prozess für dein Testleseteam zu erarbeiten, der zu dir passt.
Oder du lässt es ganz sein. Ich kenne auch viele erfolgreiche Autorinnen und Autoren, die ohne Testleseteam auskommen. Der Pfad, den ich dir heute skizziert habe, ist eine Möglichkeit, nicht die einzige.
Du bestimmst über dein Buch.
Ich hoffe, du nutzt diesen Erfahrungsbericht für deinen Schreibprozess. Wenn du dir die Interviews anhören willst – “und das lohnt sich“ – dann findest du sie hier.
Viel Spaß beim Umsetzen und: ran an die Tasten!
Tom Oberbichler, Autor und Buchmentor
Tom Oberbichler
Vom eigenen Buch hat Tom lange geträumt – die digitale Revolution am Buchmarkt im 21. Jahrhundert hat ihm die Tore geöffnet und er ist entschlossen durchgegangen. Das Tempo der rauschenden Entwicklung, die folgte, hat ihn zum Teil selbst überrascht. Erst ist er selbst mit seinen Ratgebern im Self-Publishing durchgestartet und begleitet seit 2012 Unternehmerinnen und Unternehmer dabei ihr Buch zu schreiben, im Self-Publishing als eBook und Taschenbuch zu veröffentlichen und erfolgreich zu vermarkten und zu verkaufen.
Tom ist Autor, Buchmentor, Kommunikationstrainer und Philosoph.
Wenn Tom nicht gerade selbst Bücher über Persönlichkeitsentwicklung oder Buchschreiben und Buchmarketing schreibt, arbeitet er mit Autorinnen und Autoren in 1:1 Mentoring-Programmen, veranstaltet online Schreib- und Buchmarketing-Bootcamps und leitet den Mission Bestseller Club – eine Self-Publishing-Community zum Schreiben und Vermarkten von Büchern.
2021 hat Tom mehr als 140 Bücher erfolgreich (mit) auf die Welt gebracht.
Weitere Infos zu Tom und seinem Angebot findest du auf der Webseite.
Hast du Fragen an Tom?
Arbeitest du mit Testleser*innen?
Welche Erfahrungen hast du mit ihnen gemacht?
Wir freuen uns über deinen Kommentar !
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Bildquellen: Titelbild, Lektoart und Zahlenbild: Canva; Nadel imHeu und Feedback: Pixabay; Autorenfoto: Sabine Starmayr
Ich finde die Idee mit den Testleser*innen eine super Idee. Wie stelle ich es am besten an, an die geeigneten Testleser zu gelangen?
Liebe Sylvia,
wir freuen uns, dass dich der Beitrag zu den Testleser*innen inspiriert.
Zu deiner Frage, “wie du geeignete Testleser*innen findest” empfehlen wir dir schrittweise vorzugehen:
1. Notiere dir, welche Leser*innen du mit deinem Text ansprechen magst – wer ist dein Zielpublikum?
2. Welche Kriterien sollen deine Testleser*innen erfüllen und welche Aufgaben übernehmen?
3. Wenn du das “Anforderungsprofil” für deine Wunsch-Testleser*innen erstellt hast, durchsuche deine bestehenden Kontakte: Gibt es Personen darunter, die sich als Testleser*innen eignen würden?
4. In Facebook-Gruppen kannst du aktiv nach Testleser*innen suchen, z.B. in der Gruppe: Lektorat, Korrektorat & Testleser: https://www.facebook.com/groups/lektoratkorrektorattestleser
Achte darauf, dass die Personen, die sich melden dein “Anforderungsprofil” erfüllen.
5. Triff deine Wahl, führe ein Erstgespräch und starte einen Probedurchlauf mit einzelnen Testleser*innen.
6. Adaptiere deine Testleser*innen-Gruppe, falls einzelne Personen, doch nicht passen.
Wir hoffen, diese Tipps helfen dir und wünschen dir viel Erfolg beim Aufbau deines Testleser*innen-Teams.
Alles Liebe
Sonja
Liebe Sonja, Veronika und Tom,
als Erstes ein Dankeschön für den Artikel! Ich kann der Notwndigkeit nur beipflichten. Als verlagsunabhängiger Autor ist es trotz Selfpublishing schwierig, den Kreis seiner Leser zu erweitern. Und wenn dann das selbstverlegte Buch bei Amazon, Hugendubel, Thalia & Co in den Leseproben mit logischen, handwerklichen, Grammatik- und Rechtschreibfehlern glänzt, ist´s ganz aus! Von daher sind Testleser unverzichtbar. Leider bleibt der Blog an der Oberfläche. Viel mehr Aussage als “Du kannst es so machen oder so oder so, es ist ja dein Buch, und du entscheidest.” habe ich als nicht mehr ganz unbeleckter Autor kaum entdecken können. Freilich, die Ratschlääge, Testleser nicht nur aus Ja-Sagern auszuwählen sowie ihnen konkrete Hausaufgaben zu geben, habe ich gelesen, aber einen entscheidenden Hinweis besonders für vollkommen unerfahrene Autorinnen und Autoren vermisse ich. Nämlich das Sich-Einarbeiten durch das Schreiben von Kurzgeschichten in Schreibforen, in denen man gegenseitig die Werke liest und diskutiert bzw. (konstruktiv) kritisiert. Und wer in der Hinterhand ein Romanprojekt hält, findet hier auf eine kleine Bitte hin beinahe automatisch Testleser, die interessiert, ehrlich und vor allem schriftstellerische beleckt sind.
Viele Grüße
Michael Kothe
Lieber Michael,
danke für deine Rückmeldung zum Beitrag und deine Empfehlung Schreibforen für den konstruktiven Austausch zu nutzen und so “beinahe automatisch Testleser” zu finden.
In der Facebookgruppe “Lektorat, Korrektorat & Testleser” wurden dsbzgl. einige Schreibende aus unserem Umfeld ebenfalls fündig:
Einzelne Gruppenmitglieder unterstützen dort kostenfrei andere bieten ihr Know-how gegen Verrechnung an.
Link zur Gruppe: https://www.facebook.com/groups/lektoratkorrektorattestleser
Herzliche Grüße
Sonja