Schreibimpulse

Kunst als Schreibinspiration: Entdecke die Geschichten hinter den Kunstwerken

Schreibinspiration Kunst, Foto einer Person, die ein abstraktes Bild betrachtet, www.treffpunktschreiben.at
Geschrieben von Veronika
Suchst du nach neuen kreativen Schreibideen?
 
Dann möchte ich dir in diesem Blogbeitrag eine unerschöpfliche Inspirationsquelle vorstellen: Kunst.
 
Vielleicht kennst du das schon – du entdeckst ein Bild auf einer Postkarte, in einer Zeitschrift oder im Museum, und plötzlich ist sie da: die Idee. Aber was, wenn du tiefer eintauchst? Wenn du ein Kunstwerk aus ganz neuen Perspektiven betrachtest? In diesem Blogbeitrag zeige ich dir, wie du die weniger offensichtlichen Aspekte eines Kunstwerks erkunden und als Schreibinspiration nutzen kannst.

Das fehlende Bild 

Zum Thema Schreibinspiration Kunst habe ich gerade erst ein ganz außergewöhnliches Buch entdeckt: Vor aller Augen* von Martina Clavadetscher.  Darin erzählt sie die Geschichten von Frauen, die auf weltberühmten Gemälden porträtiert wurden. (Absolute Leseempfehlung! 👍)

Zitat von Martina Clavadetscher: Diese Buch begann mit einem Bild, das ich nicht fand. Hintergrund: Abstraktes Ölgemälde in beige, weiß, violett
Das Nachwort eröffnet die Autorin mit folgenden Worten: „Dieses Buch begann mit einem Bild, das ich nicht fand.“
 
Dieser Satz hat mich sofort gepackt.
 
Was ist das für ein Bild und warum fehlt es? Ist es verloren gegangen oder wurde es gestohlen? Darf es nicht gezeigt werden? Warum? Ist es berühmt? Wer hat es gemalt? Und was passiert, wenn es gefunden wird?
Merkst du, wie die Ideen sprudeln? Ein kleiner Impuls, der kreative Wellen schlägt. Jede Antwort könnte der Ausgangspunkt für eine Geschichte sein.
 
Wenn auch du Lust hast diese Inspirationsquelle Kunst für dich zu entdecken, dann lies unbedingt weiter und hebe den Geschichten-Schatz, der sich hinter jedem Kunstwerk verbirgt. #schreiblos.

INHALT

Wie du Kunstwerke als Schreibinspiration nutzt  

Kunstwerke sind in jeder Phase des Schreibprozesses eine großartige Inspirationsquelle. Hier findest du einige Anregungen, wie Kunst dein Schreiben unterstützen kann:

  • Themenfindung: Egal, ob du eine Kurzgeschichte, ein Gedicht, einen Roman oder ein Memoire schreiben möchtest – Kunstwerke können der Ausgangspunkt für unterschiedlichste Texte sein.
  • Figurenentwicklung: Kunst kann dir helfen, eine Figur zu entwickeln oder ihren Charakter anschaulich darzustellen. Was ist das Lieblingskunstwerk deines Protagonisten? Hängt bei ihm zu Hause ein Kunstwerk an der Wand? Wie reagiert er bei einem Museumsbesuch – oder würde er gar nicht in ein Museum gehen?
  • Stimmung und Konflikt in Szenen: Du kannst die Atmosphäre eines Kunstwerks nutzen, um die Emotionen oder Spannungen in deiner Geschichte zu beschreiben und spannende Wortbilder zu finden.
  • Beschreibung von Landschaften, Räumen und Personen: Lass dich von der Bildsprache eines Kunstwerks leiten, um lebendige Beschreibungen in deinem Text zu entwickeln.
  • Assoziationen wecken: Ein Kunstwerk kann Gedankensprünge anregen und dir helfen, unvorhersehbare Wendungen in deiner Geschichte zu entwickeln.
  • Eigene Wahrnehmungen reflektieren: Kunst bietet einen Spiegel für deine Gedanken und Gefühle – nutze sie, um deine eigenen Wahrnehmungen besser zu verstehen und neue Perspektiven zu entdecken.

Halte dir beim Schreiben vor Augen, dass es darum geht, das Kunstwerk als Ausgangspunkt für originelle Ideen zu verwenden. Dabei kannst du deiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Deine Texte müssen nicht auf realen Fakten – beispielsweise zur Entstehungsgeschichte des Kunstwerkes – basieren. 

Komm schreib mit!
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Inspiration aus der Kunstwelt: Wo du Kunstwerke entdecken kannst

Es gibt zahlreiche Orte an denen du Kunstwerke finden kannst, die dir als Inspiration für dein Schreiben dienen. 

In deiner Umgebung

Museen, Kunstausstellungen, Galerien und Kunstmessen sind die klassischen Anlaufstellen, um Kunst zu entdecken. 

Aber auch in einer Buchhandlung kannst du dich von Kunstbüchern oder Bildbänden inspirieren lassen. 

Kunstwerke findest du genauso im öffentlichen Raum. Wandmalereien, Graffiti, Installationen, künstlerisch gestaltete Auslagen oder Statuen können dir jederzeit auf einem Streifzug durch deinen Wohnort begegnen. 

Einige Künstler*innen öffnen auch die Tür zu ihren Ateliers oder bieten im Rahmen eines Atelierrundgangs Einblick in ihre Arbeiten. So kannst du Kunst in einem persönlichen Rahmen entdecken und vielleicht sogar den Künstler kennenlernen, was zusätzliche Inspiration bieten kann.

Online

Wenn du dich lieber online inspirieren lässt, wirst du auch in den sozialen Medien fündig:

  • Viele Künstler*innen teilen ihre Werke auf Instagram. Du kannst nach Hashtags wie #contemporaryart, #painting, #modernart oder #artwork suchen, um Kunstwerke zu entdecken. 
  • Auch Pinterest ist eine Plattform, die voll von visuellen Inspirationsquellen ist. Durch die Suche nach Begriffen wie „art inspiration“ kannst du eine digitale Bildwelt erstellen. Mehr Informationen dazu findest du in unserem Blog-Beitrag Wie du Pinterest als Inspirationsquelle für dein Schreiben nutzt.
  • Auf YouTube kannst du ebenfalls einiges über Kunstwerke erfahren. Ich finde zum Beispiel die Kanäle Great Art Explained oder Arte Kulturkanal in diesem Zusammenhang besonders spannend.

Einige Museen wie der Louvre in Paris, die Smithsonian Institution in Washington D.C. oder das Wiener Belvedere stellen ihre Sammlung (oder Teile davon) auch online zur Verfügung. Auch die Plattform Google Arts & Culture bietet hochauflösende Bilder von Kunstwerken aus Museen weltweit sowie virtuelle Rundgänge und Hintergrundinfos zu Künstlern.

Du siehst die Inspiration lauert überall 😉. Es wird Zeit sie für deine Texte zu nutzen. 

Über das Offensichtliche hinaus: Inspiration in Kunstwerken entdecken

Wenn wir ein Kunstwerk betrachten, fokussieren wir uns oft zunächst auf das, was uns sofort ins Auge springt: das Motiv. Doch jenseits dieser ersten Eindrücke gibt es eine Fülle von Aspekten, die eine wertvolle Inspirationsquelle für dein Schreiben sein können. Von der Herkunft des Kunstwerks über die Materialien, aus denen es besteht, bis hin zu den Umständen seiner Entstehung – all diese Elemente können Ausgangspukt für deine Ideenfindung sein.

In den nächsten Absätzen findest du meine Sammlung von Fragen zu verschiedenen Aspekten der Kunst. Sie helfen dabei, die verborgenen Geschichten hinter einem Kunstwerk zu entdecken. Zusätzlich habe ich einige Beispiele eingefügt, die zeigen, wie vielseitig sich Kunst als Schreibanregung nutzen lässt.

Motiv – Was siehst du, wenn du ein Kunstwerk betrachtest?

  • Was nimmst du als erstes wahr? z. B. Farbe, Struktur, Figur(en)
  • Wo kommt dein Blick zur Ruhe?
  • Was spürst du, wenn du das Kunstwerk betrachtest?
  • Welche biografischen Zusammenhänge gibt es zwischen Künstler*in und Modell oder Motiv?
  • Was ist nicht zu sehen?
  • Was macht/machen die dargestellte(n) Figur(en)? Wie sehen/sieht sie aus?

In den beiden von Lawrence Block herausgegebenen Anthologien Nighthawks – Stories nach Gemälden von Edward Hopper* und Mädchen mit dem Fächer: Stories nach berühmten Kunstwerken* haben renommierte Autor*innen übrigens genau das gemacht. Sie haben sich von Gemälden zu Kurzgeschichten inspirieren lassen. 

Zwei großartige Bücher, die ich Kunst und Kurzgeschichten-Fans empfehlen möchte.👍 Selbstverständlich kannst du die darin abgebildeten Kunstwerke auch selbst als “Bildspiration” 🖼️ nutzen.

Details: Welche Details kannst du bei genauer Betrachtung erkennen?

  • Sind diese Details bewusst gesetzt?
  • Wem fallen sie auf? Wem nicht?
  • Welche Geschichte steckt hinter diesen Details?
  • Ist das Kunstwerk erkennbar signiert? Warum? Warum nicht?

Beispiel 1: Das Mädchen mit dem Perlenohrring (Tracy Chevalier)

Eines der bekanntesten Beispiele für eine Geschichte ausgehend von einem Kunstwerk ist wohl Das Mädchen mit dem Perlenohrring* von Tracy Chevalier. Ein fantastischer historischer Roman, in dem es um die Frage geht, wer die Unbekannte war, die Vermeer auf seinem gleichnamigen Gemälde verewigt hat.

In dem Roman schenkt die Autorin den Details des Gemäldes große Aufmerksamkeit, um den Plot und die Charaktere zu entwickeln. So gibt es beispielsweise eine Szene in der wir erfahren, wie es zu der, für diese Zeit ungewöhnlichen, Kopfbedeckung des Modells kam.

[…] “Du willst dich nicht als Dienstmagd malen lassen, mit einem Besen und deiner Haube, aber auch nicht als Dame mit Seide und Pelz und einer schönen Frisur.”
Ich gab keine Antwort. Ich konnte ihm mein Haar nicht zeigen. Ich war nicht die Art Mädchen, die den Kopf unbedeckt ließ.
Er rutschte auf seinem Stuhl herum, dann stand er auf. Ich hörte, wie er in die Abstellkammer ging. Als er wiederkam, trug er einen Berg Stoffe in den Armen, den er in meinen Schoß fallen ließ.
“Also, Griet, jetzt schau, was du damit machen kannst. Wickle dir etwas um den Kopf, damit du weder eine Dame noch eine Dienstmagd bist.” […]

Das Mädchen mit dem Perlenohrring, Tracy Chevalier

Beispiel 2: Sakrileg (Dan Brown)

Auch in einigen Romanen von Dan Brown spielen Details eine wesentliche Rolle. So sind es Feinheiten in Leonardo Da Vincis Werk “Das letzte Abendmahl”, die für die Handlung des Thrillers Sakrileg* zentral sind.

Da die Szene recht lang ist, habe ich mir erlaubt hier den Ausschnitt aus der Verfilmung einzufügen 😉. Leider habe ich den relevanten Teil nur in englischer Sprache gefunden.

Beispiel 3: Das Lächeln der Mona Lisa (Kurt Tucholsky)

Zum Lächeln der Mona Lisa lassen sich in der Literatur einige Referenzen finden. Unteranderem hat dieses Detail auch Kurt Tucholsky zu seinem gleichnamigen Gedicht inspiriert. 

Hier kannst du eine Strophe nachlesen. Sie greift die Frage auf, welche Geschichte hinter diesem Lächeln steckt. 

Du bist berühmt wie jener Turm von Pisa,
dein Lächeln gilt für Ironie.
Ja … warum lacht die Mona Lisa?
Lacht sie über uns, wegen uns, trotz uns, mit uns, gegen uns –
oder wie –?

Das Lächeln der Mona Lisa, Kurt Tucholsky

Kunst mit allen Sinnen wahrnehmen

Wie wäre es, wenn du das Kunstwerk nicht nur sehen, sondern auch spüren, hören, riechen oder sogar schmecken könntest?

  • Welchen Geruch hat ein Ölgemälde?
  • Wie glatt ist der Marmor einer Statue?
  • Wie klingt es, wenn du einige schnelle Schritte über Christos Floating Piers  machst?
  • Könntest du das Kunstwerk auch schmecken?
Foto von Christos Floating Piers
Floating Piers - Installation von Christo und Jeanne-Claude

Künstler*in: Von wem stammt das Kunstwerk?

  • Ist der/die Künstler*in bekannt?
  • Hat der/die Künstler*in das Kunstwerk unter eigenem Namen erstellt?
  • War es eine Kooperation?
  • War er/sie zu diesem Zeitpunkt bereits in der Kunstwelt anerkannt?
  • Wollte der/die Künstler*in es erstellen? Warum? Warum nicht
  • Welche Hoffnungen/Erwartungen verband der/die Künstler*in mit dem Kunstwerk?

Beispiel: Angelika Kauffmann – Ich! (Martina Clavadetscher)

In ihrem Buch Vor aller Augen* erzählt Martina Clavadetscher auch die Geschichte der Künstlerin Angelika Kaufmann. Als Inspiration diente ihr dabei ein Selbstporträt. Ausgehend von dem Kunstwerk behandelt der Text folgende Fragen: 

  • Wer war die Künstlerin?
  • Wie sah sie sich selbst und wie stellte sie sich auf ihrem Selbstporträt dar?

[…] Jedes Kind kannte mich, jeder Mann grüßte mich, und jede Frau wollte von mir gemalt werden. Aber ich war Mitte vierzig und müde geworden, einzig meine verheißungsvollen Zukunftsahnungen trieben mich noch vorwärts. Ich war eine antike Sibylle – so sah ich mich, so malte ich mich in ihrem Gewand. Die Weissagende, die kultivierteste Frau Europas, wie es hieß, eine Tochter Apollons, die an der ewigen Quelle der Fantasie wohnt. […]

Angelika Kauffmann – Ich!, Martina Clavadetscher

Material: Woraus besteht das Kunstwerk?

  • Besteht das Kunstwerk aus einem oder mehreren Materialien?
  • Ist es ein Material, das wertvoll ist?
  • Ist das Material besonders ausgefallen?
  • War es für den/die Künstler*in schwer oder einfach zu beschaffen?
  • Warum hat sich der/die Künstler*in entschieden, es zu verwenden oder war es der Wunsch des/der Auftraggeber*in?
  • Hat der/die Künstler*in gerne damit gearbeitet?

Technik: Welche Technik hat der/die Künstler*in verwendet?

  • Wurde sie bei diesem Kunstwerk erstmalig angewandt?
  • Arbeitet der/die Künstler*in gerne in dieser Technik?
  • Wie hat sich diese Technik entwickelt?
  • Ist es ein besonders aufwendiger Prozess?
  • Ist die Technik einfach erlernbar oder braucht es viel Übung, um sie zu beherrschen?

Kontext der Entstehung: Wie ist das Kunstwerk entstanden?

  • In welcher Zeit ist das Bild entstanden?
  • In welchem Zeitraum ist das Bild entstanden?
  • Wann hat der/die Künstler*in daran gearbeitet?
  • Was war die Inspiration für die Entstehung?
  • Lief der Entstehungsprozess streng „nach Plan“ oder hat der Zufall eine Rolle gespielt?
  • Wurde das Kunstwerk beauftragt? Von wem?
    • Warum wurde der Auftrag angenommen? Ging es beispielsweise um die Reputation oder die Entlohnung?
    • Gab es durch den Auftrag Einschränkungen für den/die Künstler*in, was das Motiv betrifft?
  • Welche Bedeutung/welchen Stellenwert hatte das Kunstwerk zum Zeitpunkt der Entstehung?
  • Welche Bedeutung/welchen Stellenwert hat es jetzt?
  • Welche anderen Künstler*innen hat es beeinflusst? Inwiefern?

Beispiel: Mona Lisa und die Maler (Heinz Erhardt)

Im Gedicht Mona Lisa und die Maler* von Heinz Erhardt geht es nicht um Mona Lisas Lächeln, sondern um die Frage, wie es zu diesem weltberühmten Porträt gekommen ist. 

Erhardt spielt mit der Idee, dass das Modell selbst, die Auftraggeberin war und zuerst andere berühmte Maler beauftragen wollte, bevor sie bei Da Vinci gelandet ist. 

[…] Der war nun leider nicht zu Hause …
“Ja, wen”, so dachte sie, “gibt es noch?
Ob ich mal schnell nach Holland sause – 
zu Rembrandt oder zu van Gogh?”

Es fehlte ihr an Zeit, wie’s schien,
und auch an finanzieller Kraft,
so blieb ihr nur noch der da Vin-
ci, und der hat’s dann auch geschafft!

Er brachte ihr Lächeln gut zuwege,
die ganze Kunstwelt war besiegt – 
verzeiht drum, wenn ich Zweifel hege:
Hätt’s nicht ein anderer Kollege
vielleicht doch besser hingekriegt?

Mona Lisa und die Maler, Heinz Erhardt

Persönlicher Bezug: Was sagt dir das Bild als Betrachter*in?

  • Was verrät deine eigene Betrachtungsweise über dich? 
  • Was sagt dir das Kunstwerk aufgrund deiner eigenen Geschichte?
  • Woran erinnert du dich, wenn du das Kunstwerk betrachtest?
  • Wer wärst du in diesem Kunstwerk und warum?
  • Welche Stimmung nimmst du wahr, wenn du das Kunstwerk betrachtest?

Diese Fragen kannst du auch für die Figurenentwicklung verwenden, wenn du sie nicht für dich selbst, sondern für deine Figur beantwortest. 

Beispiel: Nachtfalken (Michael Connelly)

In der Erzählung Nachtfalken, die auch in der Anthologie Nighthawks* erschienen ist, trifft der Ermittler Harry Bosch in einem Museum auf die Frau, die er observieren soll. Dabei entsteht ein spannendes Gespräch über das Bild Nighthawks von Edward Hopper, das einiges über die beiden Figuren erzählt.

„Großartig, nicht wahr?”, fragte sie.
“Wie bitte?”, erwiderte Bosch.
“Das Gemälde. Es ist doch ziemlich großartig.”
“So sagt man, ja.”
“Wer sind Sie?”
Bosch erstarrte.
“Wie meinen Sie das?”, fragte er.
“Mit wem identifizieren Sie sich?”, fragte sie. “Mit dem einsamen Mann, dem Paar, das nicht allzu glücklich wirkt, dort zu sein, oder dem Mann hinter dem Tresen? Wer sind Sie?”
Bosch wandte den Blick von ihr ab, betrachtete wieder das Bild.
“Ich weiß nicht recht”, antwortete er. “Und Sie?”
“Definitiv der Einzelgänger”, sagte sie. “Die Frau wirkt gelangweilt. Sie inspiziert ihre Fingernägel. Ich langweile mich nie ich nehme den Einsamen.”
Bosch starrte auf das Gemälde.
“Ja, ich auch, schätze ich”, sagte er.

Nachtfalken, Michael Connelly

Besitzer*in: Wem gehört das Kunstwerk?

  • Wem gehört das Kunstwerk derzeit?
  • Gab es bereits mehrere Besitzer?
  • Wie kam es zu den unterschiedlichen Besitzer*innen?
  • Gefällt es dem/der Besitzer*in?
  • Würdest du es gerne besitzen? Warum?
  • Wer würde es gerne haben wollen? Warum?
  • Gehört es zu einer Sammlung? Zu welcher? Warum wurde es aufgenommen?

Beispiel: Der Prediger sammelt (Gail Levin)

In der Kurzgeschichte Der Prediger sammelt aus der Anthologie Nighthawks* zeichnet die Autorin Gail Levin nach, wie die Frühwerke Edward Hoppers in den Besitz von Arthayer R. Sandborn Jr. gekommen sind. 

[…] Als ich mich umschaute, entdeckte ich zu meiner Überraschung keine Löcher, sondern stapelweise frühe Kunstwerke von Edward Hopper: Zeichnungen, Ölgemälde und Illustrationen. Nachdem ich mehrmals dort oben gewesen war und herumgekramt hatte, fand ich wertvolle historische Dokumente, darunter Briefe, die der junge Edward auf seinen drei Reisen nach Europa nach seinem Abschluss der Kunsthochschule an seine Familie geschrieben hatte. Je mehr ich auskundschaftete, desto größere Sorgen machte ich mir, was mit all diesen Schätzen nach Marions Tod passieren würde. Tatsächlich konnte ich mir ihr Schicksal nicht aus dem Kopf schlagen. […]

Der Prediger sammelt, Gail Levin

Aufenthaltsort: Wo befindet sich das Kunstwerk?

  • Ist der Aufenthaltsort des Kunstwerkes bekannt? Wem?
  • Ist das Kunstwerk öffentlich ausgestellt? Warum? Warum nicht?
  • Wie wichtig ist das Kunstwerk für diesen Ort?
  • Ist/Wäre der/die Künstler*in mit diesem Ausstellungsort zufrieden? Wieso? Wieso nicht?
  • Wird es versteckt? Warum?
  • Welche anderen Kunstwerke sind an diesem Ort zu finden?
  • Wie beeinflusst diese Umgebung die Wahrnehmung des/der Betrachtenden?

Beispiel: Allmen und die Dahlien (Martin Suter)

Der Aspekt des Aufenthaltsortes eines Kunstwerkes ist für Krimis besonders spannend. In Allmen und die Dahlien* von Martin Suter wird der private Ermittler Allmen beauftragt ein Gemälde wiederzubeschaffen, das bereits gestohlen war. 

“Das Bild war ein Geschenk an Madame Gutbauer. Eine kleine Aufmerksamkeit eines Verehrers, wegen der Namensgleichheit, Dalia und Dahlien, Sie verstehen.”
Allmen verstand. “Und Sie vermuten, dass das Bild nicht ganz rechtmäßig erworben sein könnte?”
“Nun, jedenfalls überstieg es vermutlich die finanziellen Mittel des Schenkenden.”
Der alten Frau wurde das Drumherumgerede zu viel: “Das Bild war geklaut basta. Nächste Frage.”

Allmen und die Dahlien, Martin Suter

In einer anderen Welt: Was wäre wenn, …

  • Was wäre, wenn du mit dem Kunstwerk in Kontakt treten könntest?
  • Was wäre, wenn du mit dem/der Künstler*in auf einen Kaffee gehen könntest?
  • Was wäre, wenn du in das Kunstwerk eintauchen könntest?
  • Was wäre, wenn das Kunstwerk/die Figuren ein Eigenleben entwickeln könnte(n)?
  • Was wäre, wenn das Kunstwerk mit seiner Umgebung in Kontakt treten könnte?
  • Was wäre, wenn du plötzlich jemanden aus deiner Familie auf dem Kunstwerk wiedererkennen würdest?

Claudia eine Teilnehmerin unseres Sommer-Schreibwochenendes hat eine Kürzestgeschichte geschrieben, zu der sie ein Museumsbesuch inspiriert hat. Sie erzählt davon, was passieren würde, wenn die Gemälde im Museum außerhalb der Öffnungszeiten ein Eigenleben entwickeln und miteinander in Kontakt treten könnten. Welche Pläne würden sie schmieden? Ein sehr spannender Text. Der uns in der Feedbackrunde alle begeistert hat.

Beschreibung: Wie wird das Kunstwerk beschrieben?

  • Welche Beschreibung des Kunstwerkes findest du in der Ausstellung?
  • Was steht im Ausstellungskatalog?
  • Wie beschreibt der/die Künstler*in sein/ihr Werk?
  • Wie beschreibt der/die Käufer*in das Kunstwerk?
  • Wie würdest du es beschreiben?
  • Wie würde eine Figur aus deinem Roman oder deiner Kurzgeschichte das Kunstwerk beschreiben?

So, jetzt bist du mit allem ausgestattet, dass du benötigst, um die verborgenen Geschichten hinter den Kunstwerken zu entdecken. Lass dich von ihrer Vielschichtigkeit inspirieren. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Warte nicht länger und #schreiblos. ✍️🙌

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Manchmal ist es in der Gruppe einfacher Zeit und Motivation zum Schreiben zu finden.
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Mehr Infos und den Link zur Anmeldung findest du hier.

Lässt du dich von Kunstwerken zum Schreiben inspirieren? Wie gehst du dabei vor? Schreib uns gerne einen Kommentar mit deinen Tipps und Erfahrungen. Wir freuen uns über den Austausch! 😊

Bildquellen: Canva, Treffpunkt Schreiben

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