In der letzten Schreibwerkstatt, die ich geleitet habe, ist eine Frage ganz oft aufgetaucht: Wie schaffe ich es mit dem Schreiben anzufangen? Gibt es da einen Trick?
Wo liegt das Problem?
Die Frage bezog sich nicht auf ein generelles Ich-würde-gerne-schreiben-aber-ich-weiß-noch-nicht-was-wo-wie-und-ob-wirklich-überhaupt. Alle Teilnehmer*innen hatten bereits sehr konkrete Textprojekte. Oft gab es dazu auch eine erschreckend konkrete Deadline ;-).
Vielmehr ging es um folgende Fragen: Wie schaffe ich es, mich hinzusetzen und mit dem Schreiben zu beginnen? Woher nehme ich die notwendige Zeit und die Motivation? Was mache ich mit all den anderen wichtigen Dingen, die ich eigentlich auch tun sollte?
Eine einfache Antwort?
Es gibt auf diese Frage eigentlich eine einfache, ja fast unkreative Antwort (eines Sportartikelherstellers): Mach‘s einfach!
Aber so einfach ist die Sache nicht. Zumindest nicht für mich.
Ich muss kämpfen. Ich kämpfe jedes Mal, wenn es darum geht mich hinzusetzen und zu schreiben.
Was qualifiziert mich dann dazu in diesem Blog-Artikel Empfehlungen für den leichten Schreibstart zu geben? Ich gewinne. Nicht immer. Aber immer öfter. Ich gebe offen zu, dass der Start nicht immer ein leichter ist, aber es ist ein Start und mehr muss es nicht sein.
Meine 5 Tipps um mit dem Schreiben anzufangen
Und hier sind sie, meine 5 Empfehlungen fürs Hinsetzen und Losschreiben:
1) Klein, kleiner, Kleinstaufgaben
Umso kleiner, überschaubarer, einfacher die Aufgabe ist, umso leichter fällt es mir, sie zu erledigen.
Wie definiere ich eine Kleinstaufgabe?
Um eine Kleinstaufgabe zu definieren, musst du die Aufgabe so lange in kleinere und vielleicht auch einfachere Schritte unterteilen, bis sie dir absolut machbar erscheint.
Ein Beispiel:
- Schreibe einen Blog-Beitrag zum Thema XY. Das erscheint mir eine unüberwindbar große Aufgabe zu sein. Never ever fang ich da an.
- Finde einen passenden Titel für einen Blog-Beitrag. Auch noch zu viel zu groß. Danke, aber Nein Danke.
- Überlege dir eine Struktur für den Text und welche Inhalte in den Beitrag hinein sollen. Heute Abend noch? Niemals!
- Okay! Dann mach einfach nur ein Freewriting. Du schreibst drei Seiten. Auf den ersten beiden Seiten schreibst du ganz klassisch alles auf, was dir einfällt. Auf Seite drei machst du ein Brainstorming zu dem Artikel. Das reicht dann auch für heute. Ich überlege noch! Ja, das könnte ich machen.
Toll! Kleinstaufgabe gefunden.
Und dann?
Nächster wichtiger Schritt: Überlege dir zwei weitere Kleinstaufgaben nur für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass du nach der ersten Kleinstaufgabe noch eine weitere dranhängen willst. Für mein konkretes Beispiel würde das heißen:
- Mach schnell ein erstes Cluster zur Textstruktur (max. 5 Minuten).
- Schreib den shitty first draft (Rohtext, kein Nachdenken nur Schreiben!).
In den meisten Fällen komme ich mindestens zur zweiten Kleinstaufgabe. Dann überlege ich mir noch die erste Kleinstaufgabe für den nächsten Tag und Stopp. Aufhören! Nicht weitermachen.
Ja, aber …
Wer jetzt denkt: Aber so werde ich doch nie fertig! Stimmt. Aber wenn du es nicht schaffst anzufangen auch nicht.
TIPP:
Kleinstaufgaben müssen wirklich genau das sein. Lächerlich kleine Aufgaben. Nur so werden sie annehmbar, handhabbar, machbar.
2) Verbeiß dich nicht in Zeitwünsche
Fast alle wollen für den Schreibstart Zeit, viel Zeit – mindestens einen Tag, wenn nicht sogar ein Wochenende. Fast alle haben für ihr Schreibprojekt eines nicht: Zeit, viel Zeit – schon gar keinen ganzen Tag und auf keinen Fall ein Wochenende.
Wer sich also in diesen Zeitwunsch verbeißt, hat schon verloren. Wenn du glaubst, nur anfangen zu können, wenn du mindestens einen Tag Zeit hat, aber nie einen Tag Zeit hast, wirst du nicht anfangen.
Also habe ich (konkret nach der Geburt meines Sohnes) jegliche Zeitwünsche für Schreibeinheiten über Board geworfen. Ich habe eine halbe Stunde? Dann muss die halbe Stunde ausreichen. Ist meine nächste Kleinstaufgabe für den vorhandenen Zeitslot zu groß, schrumpfe ich sie weiter zur Partikelaufgabe. Auch in 15 Minuten kann ich weiterkommen.
15 Minuten sind übrigens mein persönliches Minimum. Wenn ich weniger als 15 Minuten Zeit habe, kann ich mich nicht überreden anzufangen. Aber ich denke, das ist eine sehr persönliche mentale Blockade. 😉 Einfach ausprobieren. Es entsteht auch in einem 5-minütigen Freewriting schon eine ganze Menge Text.
3) Entwickle dein persönliches Schreibritual
Wenn du regelmäßig schreibst, entwickelst du oft von ganz alleine ein persönliches Schreibritual. Du richtest dir vor dem Schreiben deinen Schreibort zum Beispiel auf eine bestimmte Art und Weise her. Du fütterst noch ein letztes Mal deine virtuelle Schafherde. Du holst die blaue Füllfeder, ohne die es nicht geht …
Leitest du deine Schreibphasen immer mit dem gleichen Ritual ein, hat das einen wichtigen Vorteil: Dein Gehirn erkennt die Wiederholung und stellt sich auf das Schreiben ein. In etwa so: „Ah, sie hört wieder diese unsägliche italienische Pop-Ballade, dann schreiben wir wohl gleich.“ Stellt sich dein Gehirn darauf ein etwas zu tun, ist der Start wesentlich leichter.
Folgendes solltest du bei der Wahl deines Schreibrituals beachten: Ein hilfreiches Ritual sollte aus meiner Sicht kein Zeitfresser sein. Wer sich zwei Stunden vorbereiten muss, um 15 Minuten zu schreiben, ist wenig effizient unterwegs. Außerdem solltest du versuchen, so weit wie möglich ortsunabhängig zu bleiben, sonst nimmst du dir sehr viel Flexibilität.
Ich persönlich habe eine Minimalversion und eine Extended Version meines Schreibrituals. Diese setze ich je nach Zeitbudget ein. Die Minimalversion umfasst eine große Tasse Tee oder Kaffee oder zumindest ein großes Glas Wasser. Bei der Extended Version wird die Minimalversion um ein dreiseitiges Freewriting ergänzt.
4) Bleib/Schreib nicht alleine
Will dir der Schreibstart einfach nicht gelingen oder musst/möchtest du in kurzer Zeit sehr viel schaffen, solltest du unbedingt Folgendes versuchen: Schreibe mit anderen Menschen. Besuch einen Schreibtreff oder eine lange Nacht des Schreibens oder melde dich für ein Schreib-Retreat an. Du kannst auch einen Schreib-Workshop oder ein Seminar besuchen. Aber bleib nicht alleine. In der Gruppe ist es viel, viel, viel leichter mit dem Schreiben anzufangen. Es ist aus meiner Sicht eigentlich so gut wie unmöglich bei einem Schreibtreff inmitten von anderen schreibenden Menschen nicht zu schreiben.
So ein organisiertes Schreibevent hat auch drei weitere Vorteile. Du nimmst dir erstens Zeit, um zu schreiben. Zweitens meldest du dich an (und bezahlst dafür), was Verbindlichkeit schafft. Und drittens gibt es dort in der Regel die Möglichkeit sich mit anderen auszutauschen, was sehr motivierend ist.
5) Pflanze Bäume (Forest App)
Wenn ich schreibe, belohne ich mich dabei immer, indem ich in der Forest App mein persönliches Wäldchen weiter aufforste. In der App kann man einen Zeitraum wählen, in dem man konzentriert arbeiten möchte. In meinem Fall also konzentriert schreiben möchte. Ich wähle also zum Beispiel 25 Minuten aus, um eine meiner Kleinstaufgaben zu bearbeiten. Dann lege ich das Handy zur Seite. Wenn ich es schaffe im gewählten Zeitraum konzentriert zu arbeiten, wächst in dieser Zeit ein Baum. Nehme ich währenddessen mein Handy zur Hand und verlasse die App, stirbt der Baum.
Über mehrere Schreibwochen hinweg entsteht so ein Wald. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Baumarten und auch Sträucher und natürlich auch Spezial- und Bonus-Bäume. Einer hübscher als der andere. 🙂 Mich motiviert diese kleine Spielerei extrem. Manchmal kann ich mich nur dazu überreden eine meiner Kleinstaufgaben anzugehen, weil ich dann endlich die fehlende große Tanne pflanzen kann.
Also, einfach mal ausprobieren. Die App ist im App Store und bei Google Play verfügbar.
So das waren sie auch schon meine Tipps für den Schreibstart. Jetzt ist es soweit: #schreiblos
Du hast einen Tipp, der auch auf die Liste sollte? Perfekt! Schreib uns doch einfach einen Kommentar zu diesem Artikel. Danke! 🙂
Bildquelle: Teffpunkt Schreiben