Schreiben ist im Berufsalltag ein unglaublich hilfreiches Werkzeug. Das trifft nicht nur auf Situationen zu, in denen es darum geht im passenden Moment ein eloquent formuliertes E-Mail zu verschicken oder eine Idee prägnant zu verschriftlichen. Schreiben hilft auch bei Problemstellungen, die einen im ersten Augenblick nicht an Stift und Papier denken lassen.
Kreative Schreibtechniken sind im beruflichen Alltag wertvolle Begleiter. Wie mir Schreiben in diesen 6 schwierigen Job-Situationen weiterhilft, verrate ich dir in diesem Beitrag.
- Ich habe kaum Zeit, mich auf dieses Meeting vorzubereiten.
- Wie soll ich das auf eine Folie bringen?
- Hilfe! was mache ich denn jetzt?
- Wir brauchen eine geniale Idee
- Bitte, was genau ist hier mit [beliebiges Schlagwort einsetzen] gemeint?
- Mir wird alles zu viel!
1) Ich habe kaum Zeit, mich auf dieses Meeting vorzubereiten
In der Theorie sind alle Meeting-Teilnehmer*innen auf jedes Meeting gut vorbereitet. Vor allem, wenn sie das Meeting leiten. Immer. Das ist wichtig. Nur so, kann ein Meeting effizient gestaltet werden.
In der Praxis sieht die Sache (zumindest bei mir) leider anders aus. Mir fehlt manchmal die Zeit. Gänzlich unvorbereitet in ein Meeting zu gehen, scheint mir aber auch keine sinnvolle Strategie. Eine “Schnellvorbereitungsmethode” muss her. Und mit Clustering habe ich diese gefunden.
Clustering gibt mir die Möglichkeit, alle Gedanken und Ideen zum bevorstehenden Meeting schnell zu Papier zu bringen und eine erste innere Ordnung entstehen zu lassen. Das verschriftlichte Ergebnis – das Cluster – liefert in kurzer Zeit einen guten Überblick und lässt sich ohne Probleme in die Besprechung mitnehmen.
So funktioniert’s:
Eine detaillierte Erklärung zur Methode Clustering findet du im Beitrag: Wie funktioniert Clustering?
- Verwende Meeting-Titel und Datum als Kern des Clusters (z. B. Abteilungs-Jour-Fixe, 15. März 2021)
- Nimm dir 5 Minuten Zeit zum freien Assoziieren.
- Was sind die wichtigsten Themen?
- Was muss unbedingt besprochen werden?
- Welche Fragen müssen geklärt werden?
- Welche Aufgaben müssen verteilt werden?
- Wenn du deine Gedanken handschriftlich auf das Papier “entleert” hast, ist meist schon ein guter Überblick entstanden. Ist die Struktur noch zu unübersichtlich, hilf mit Nummerierungen und farbigen Markierungen nach.
- Hast du bemerkt, dass dir eine wichtige Information fehlt, kannst du diese schnell heraussuchen und notieren.
- Dann heißt es Cluster schnappen und ab ins Meeting.
2) Wie soll ich das auf eine Folie bringen?
In einigen Unternehmen wird jede Information in Präsentationsfolien verpackt. Unabhängig davon, ob sich der Inhalt in dieser Form gut an die Zielgruppe kommunizieren lässt oder nicht. Dann heißt es : “Mach da doch mal EINE Folie dazu.” Aber was wenn eine Folie nicht reicht?
Mir ist es schon passiert, dass ich ein paar Stichworte – ja, ja die Bullet Points – auf eine Präsentationsfolie geknallt habe. Bei der Präsentation hatte ich dann Schwierigkeiten, meine Idee auf den Punkt zu bringen und ohne meine Erklärungen ergab die Folie wenig Sinn.
Daher habe ich mir angewöhnt, komplexe, wichtige oder umfangreiche Dinge, die auf eine Präsentationsfolie sollen, vorher in ganzen Sätzen zu formulieren. Für mich. Damit ich wirklich ganz genau weiß, was ich (aus)sagen will. An dem Text feile ich länger. Ich versuche ihn so prägnant wie möglich zu gestalten und hole manchmal auch Feedback dazu sein. Erst dann erstelle ich die Präsentationsfolie. Wenn die Folie auch ohne meine Ausführungen “funktionieren” muss, füge ich den Text in die jeweilige Notizseite der Präsentation ein.
So funktioniert’s:
- Mach zum Inhalt deiner Präsentation ein kurzes Freewriting.
- Lies dir den Text durch und markiere die wichtigsten Stellen.
- Versuche jetzt den Präsentationsinhalt in ganzen Sätzen zu formulieren. Überarbeite den Text mehrmals, stell dir dabei folgende Fragen:
- Bekommen die Zuhörer*innen alle Informationen, die sie brauchen?
- Lässt sich etwas kürzen?
- Werden die Informationen in einer nachvollziehbaren Reihenfolge präsentiert?
- Wissen die Zuhörer*innen, was sie nach der Präsentation tun sollen?
- Wenn du mit dem Text zufrieden bist, gestalte dazu eine Folie.
3) Hilfe! Was mache ich denn jetzt?
Leider kommt es im Arbeitsalltag vor, dass Dinge nicht so laufen wie geplant. Ein unerwartetes Problem taucht auf, ein Konflikt entsteht, eine Deadline wackelt, eine plötzlich auftauchende Pandemie bringt das ausgeklügelte Betreuungskonzept ins wackeln…
In solchen Fällen fühle ich mich schnell verloren. Ich brauche Rat oder eine neue Perspektive. Aber wer hat Zeit, wer ist greifbar, wer kann mir weiterhelfen?
Die Lösung: Ich erschreibe mir mein Gegenüber. Entweder, indem ich mit ihm/ihr in einen schriftlichen Dialog trete oder indem ich versuche, mich in diese Person hineinzuversetzen und einen ratgebenden Text an mich selbst schreibe.
Die erste Methode stammt aus Geniale Momente* von Mark Levy. Die zweite stellt Ulrike Scheuermann in ihrem Buch Schreibdenken* vor. Beides absolute Leseempfehlungen zum Thema.
Führen Sie ein Papier-Gespräch mit einem Arbeitskollegen der Ihnen Probleme macht, weil er sich wie ein Trottel benimmt. Finden Sie heraus, warum er sich wie ein Trottel aufführt.
Mark Levy (Geniale Momente)
So funktioniert’s:
- Formuliere das Problem in zwei Sätzen.
- Überlege, wessen Rat oder Perspektive in dieser Sache hilfreich sein könnte (z. B. eine berühmte Persönlichkeit; ein/e betroffene/r Kolleg*in; jemand, der einen völlig konträren Standpunkt vertritt; jemand, der diese Situation schon erfolgreich gemeistert hat; Oma Hilde; Yoda)
- Stelle dir diese Person/Figur deutlich vor.
- Variante 1 – Papiergespräch: Schreibe mit der Person/Figur einen Dialog. Schreibe drauf los, ohne lange nachzudenken. Lass die Person/Figur auch Fragen stellen, die du selbst beantworten musst.
A: Ich verstehe einfach nicht, wie du so ein E-Mail an die große Runde schreiben konntest, warum rufst du mich nicht einfach an, wenn du ein Problem siehst?
B: Das war so klar, dass du dich gleich angegriffen fühlst. Was hätte denn ein Telefonat gebracht?
A: …
- Variante 2 – beratenden Text/Brief: Schreib aus der Perspektive dieser Person/Figur einen Text oder Brief an dich selbst mit einem Ratschlag, was du tun sollst.
Mein Einstiegssatz lautet z. B. Liebe Veronika, das ist ein kniffliger Fall. Ich würde in diesem folgendes tun. Nämlich…
- Lies dir den Text im Anschluss durch und fasse das Wichtigste in einem Satz zusammen und setze deine nächsten Schritte
4) Wir brauchen eine geniale Idee
- Nachdem geklärt ist, wozu eine Ideensammlung erfolgen soll, erhält jeder mehrere Blätter Papier.
- Jeder bekommt nun 5 Minuten Zeit, so viele Ideen wie möglich aufzuschreiben. Dabei gilt es den Gedanken freien Lauf zu lassen und sich nicht selbst zu zensieren. Einzige Vorgabe: Lesbar schreiben.
- Nach 5 Minuten gibt jeder das Blatt/die Blätter mit den Ideen an seine/n rechte/n Sitznachbar*in weiter.
- Jeder hat wieder 5 Minuten Zeit, um die bereits gesammelten Ideen zu überfliegen und sich davon zu neuen Vorschlägen inspirieren zu lassen.
- Schritt 3 und 4 können einige Male wiederholt werden, um möglichst viele Ideen zu sammeln.
- Nach der letzten Runde gibt jede/r das Blatt/die Blätter noch einmal Mal weiter.
- Nun liest jeder die gesammelten Vorschläge auf dem Blatt/den Blättern, die er/sie bekommen hat und markiert aus der Sammlung jene 3-5 Ideen, er/sie am besten bewertet.
- Die genialen Ideen werden dann nacheinander vorgelesen und für alle sichtbar gesammelt. Sie können im Anschluss weiter sortiert und besprochen werden.
5) Bitte, was genau ist hier mit [beliebiges Schlagwort einsetzen] gemeint?
Schlagworte oder Buzzwords werden im beruflichen Alltag öfter verwendet.
- “Da müssen wir Synergien nutzen.”
- “Das sollten wir unbedingt unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nochmals neu betrachten.”
- “Das ist kein Problem. Das werden wir einfach agil umsetzen.”
Leider ist bei diesen Modewörtern oft nicht klar, was genau gemeint ist. Das finde ich ziemlich frustrierend. Ich bin dann versucht, einfach nur die Augen zu verdrehen und eine neue Runde Buzzword-Bingo zu starten.
Einen konstruktiveren Weg stellt Mark Levy in Geniale Momente* vor. Er rät, diese Schlagworte zu sezieren, um sich einen eigenen persönlichen Zugang zu erschreiben.
Wenn Sie ein Wort "sezieren", definieren Sie es (oder den Satz, in dem es enthalten ist) neu, so dass es eine persönliche Bedeutung bekommt. Sie werden zu einer Art Entdecker innerhalb des Wortes, lassen die althergebrachte Bedeutung, die ihm andere einmal gegeben haben, außer Acht und entdecken für sich selbst, ob die darin verankerte Bedeutung immer noch Gültigkeit hat.
Mark Levy (Geniale Momente)
So funktioniert’s:
- Notiere die übliche Definition des Wortes. Schreibe dazu auch die “überstrapazierten” Bedeutungen auf, mit denen du selbst immer wieder konfrontiert wirst.
- Mach ein Freewriting und ergründe folgende Fragen:
- Bin ich mit der allgemein üblichen Definition einverstanden oder nicht und warum?
- Was für Gedanken und Bilder könnten dieses Wort beim nächsten Mal hervorrufen, wenn ich darauf stoße?
- Fasse in ein oder zwei Sätzen zusammen, wie sich dein eigenes Wissen durch das Sezieren des Begriffs erweitert hat.
6) Mir wird alles zu viel!
(Online) Meetings, Telefonate, E-Mails und zwischendurch ein kurzes Gespräch am Gang oder (derzeit) über MS Teams. Manchmal prasselt zu viel Information auf mich ein. Mein Kopf muss zu viel verarbeiten. Information-Overload! Ich brauche eine Pause.
Die Bürotür zumachen und einen Kaffee trinken hilft dann leider nicht. Die Gedanken in meinem Kopf lassen sich nämlich nicht so einfach stoppen.
Oder doch? Die Lösung lautet: Die Gedanken müssen aufs Papier! Dann weiß ich, dass ich nichts mehr vergessen kann und bin bereit für meinen Kaffee ☕️☺️.
So funktioniert’s:
- Mach ein Freewriting.
- Bringe für 10 Minuten handschriftlich zu Papier, was dir im Moment durch den Kopf geht. Nicht nachdenken. Einfach weiterschreiben.
- Wenn du willst, kannst du den Text nach dem Schreiben noch einmal durchlesen und wichtige Stellen markieren.
Wann hilft dir Schreiben im Job? Hast du eine der beschriebenen Methoden ausprobiert? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Wir freuen uns über deinen Kommentar! 🙏
Bildquelle: Canva
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Liebe Veronika,
danke für die tollen Tipps! Ja, Schreiben als Selbstcoaching oder Selbsthilfe, wenn im Büro oder Homeoffice gar nichts mehr geht, ist großartig und so hilfreich. Ich kann das als Berufsschreiberin aus eigener Erfahrung bestätigen und erlebe auch in der Schreibberatung immer wieder, wie unterstützend Schreiben als Methode zur beruflichen Selbsthilfe erlebt wird.
lg Ilona aus der Schreibküche
Liebe Ilona, es freut uns sehr, dass dir dieser Beitrag gefallen hat.:-) Danke, dass du deine Erfahrungen hier mit uns teilst. LG Veronika