Moreno war ein leidenschaftlicher Literat, er schrieb neben seinen Lehrbüchern auch Gedichte und Essays. Im Café Herrenhof verkehrte er mitten in der Wiener Literaturszene, gemeinsam mit Anton Kuh, Franz Werfel und anderen. Er war Herausgeber des Daimon und der Zeitschrift Die Gefährten, in denen namhafte Schriftsteller seiner Zeit publizierten.
Zu Morenos Freunden zählte Martin Buber, mit dem er Konzepte der Begegnung diskutierte, während ihn mit Sigmund Freud eine leidenschaftliche Konkurrenz verband. Während dieser seine Patient*innen auf die Couch legte, animierte Moreno sie zum Handeln. In Anlehnung an Theaterexperimente entwickelte er die Als-ob-Realität auf der Spielbühne, die über aktives Probehandeln in unterschiedlichen Rollen zu Veränderung und Heilung führt.
Psychodrama und Schreiben – eine lohnende Momentaufnahme!
Als erstes ein Dankeschön an Sabine Spitzer-Prochazka für ihren vergleichenden Einblick in das Verstehen und das Gestalten von Menschen, dann gleich meinen Dank an Sonja & Veronika dafür, dass sie diesen Gastbeitrag aufgenommen haben!
Bücher lebt von Konflikten. Ja. Aber gibt es Konflikte nur in der Handlung? Nein, sie leben sich auch in Personen aus, nämlich in den Figuren eines Romans, eines Films oder auch “nur” denen einer Kurzgeschichte. Figuren sind dabei noch wichtiger als die Handlung. Hand aufs Herz! Woran erinnerst Du Dich als erstes, wenn Du an Dein zuletzt (gern) gelesenes Buch oder an den zuletzt geschauten (und für gut befundenen!) Film zurückdenkst? An die Handlung – oder nicht doch eher an die Hauptpersonen?
Der Beitrag von Sabine zeigt nicht in erster Linie, wie eine literarische Figur aussieht. Nein, durch das Verstehen ihrer Stellung, ihrer Rolle im sozialen Umfeld wird ihr Charakter deutlich, wird ihr Verhaltensmuster offenbar. Als Autoren müssen wir beides deutlich herausarbeiten. Nur so erhalten wir einen dreidimensional gezeichneten Protagonisten. Den Antagonisten natürlich auf gleiche Weise und Nebenfiguren bis zu einem gewissen Grad. Und schon erhält unser Werk die Spannung, die wir unseren Lesern wirklich schenken möchten, nämlich nicht nur die aus den Konflikten geborene, die sich aus einer gefährlichen, romantischen oder träumerischen Handlung ergibt. Sondern die Spannung, die aus unserer Identifizierung mit der Figur erwächst. Sabine hat es aufgezeigt: Aus der Figur heraus ergeben sich Intra-Rollenkonflikte, etwa, wenn sie eine Rolle wider Willen annehmen muss, und Inter-Rollenkoflikte, wenn ihre unterschiedlichen Rollen konkurrierende, vielleicht gar sich gegenseitig ausschließende Zielsetzungen bedingen. Und schon fiebert der Leser mit!
Einen Aspekt habe ich vermisst. Daher auch mein vom Blog abweichender Titel für diesen Kommentar: Die Weiterentwicklung. Wir sprechen von der äußeren Heldenreise, wenn wir uns auf die Handlung beziehen, die gefährlichen Aufgaben, die unsere Helden zu bestehen haben oder die romatisch bedingte Frage: Kriegt sie ihn am Ende oder kriegt sie ihn nicht? Was aber ist mit der inneren Heldenreise, deren Begriff viele gar nicht kennen? Die Entwicklung der Figur, ihres eigenen Charakters? Bleibt das verzagte Mauerblümchen, das zu Beginn in meinen Roman hineinstolpert, letztendlich die graue Maus oder reift es heran zur selbstbewussten Frau, zur Heldin, zur Kriegerin mit dem Wunsch nach neuen Abenteuern? Und mein strahlender Held, zeigt er sich im Verlauf der Handlung nicht doch abenteuermüde? Sabines Studie, die ich “Momentaufnahme” genannt habe, muss ich im Plotverlauf öfter anstellen, damit mein Figuren “lebendig” bleiben, realitätsnah und plausibel. Mehr als die halbe Miete für ein gutes Buch!
Beste Grüße
Michael Kothe, Autor
Hallo Michael,
wir freuen uns über deine Rückmeldung zu Sabines Gastbeitrag zum Thema “Psychodrama und Schreiben” und v.a. darüber, dass du dich intensiv mit dem Inhalt beschäftigt hast.
Danke für deine Wertschätzung, deine Ergänzungen und den modifizierten Titel – “eine lohnende Momentaufnahme”!
Die “Weiterentwicklung” einer Figur, insbesondere die innere Heldenreise wird von Autor*innen leider oft vernachlässigt. Deine Empfehlung, “Sabines Studie, im Plotverlauf öfter anzustellen, damit die Figuren “lebendig” bleiben, realitätsnah und plausibel” ist eine gute Möglichkeit dem entgegenzuwirken.
Wir wünschen dir viel Freude und Erfolg mit deinen Schreibprojekten.
Herzliche Grüße,
Sonja