Wenn Text-Feedback gut funktioniert, dann tut es gut, dann stärkt es, klärt es, beflügelt es weiterzuschreiben!
Judith Wolfsberger (Frei Geschrieben)
Wie ihr so eine stärkende, motivierende und effiziente online Textfeedback-Gruppe organisiert, erkläre ich in diesem Beitrag Schritt für Schritt.
Hinweis: Der Beitrag richtet sich insbesondere an Studierende und Schüler*innen, die an einem (vor-)wissenschaftlichen Textprojekt schreiben. Der vorgestellte Ablauf einer Textfeedbackrunde eignet sich aber auch für Textsorten aus dem kreativen oder beruflichen Bereich.
Die Rahmenbedingungen
Teilnehmer*innen
Tipp:
Es ist nicht notwendig, dass alle Teilnehmer*innen der Textfeedback-Gruppe an der gleichen Textsorte schreiben und/oder in einem ähnlichen Fachgebiet unterwegs sind. Eine bunt gemischte Gruppe kann sehr bereichernd sein. Sie ermöglicht das Einholen von ganz unterschiedlichen Perspektiven. Außerdem besteht weniger Gefahr, vom Text abzuschweifen und sich in fachlichen Diskussionen zu verlieren.
Zeitrahmen
Tipp:
Beim ersten online Treffen auf alle Fälle mehr Zeit einplanen, um den Ablauf und die organisatorischen Rahmenbedingungen zu klären.
Länge der Texte
Web-/Videokonferenz-Tool
Tipp:
Verwendet am besten jenes Tool mit dem die meisten Teilnehmer*innen bereits Erfahrung haben. Sich beim Meeting auf eine neue„Online-Umgebung“ einstellen zu müssen, kostet nur unnötig Zeit.
Vorbereitung
Was ist konstruktives Textfeedback?
- Welche positiven Erfahrungen hast du zum Thema Textfeedback schon gemacht?
- Was hat dieses positive Erlebnis ausgemacht?
- Warum hat dir dieses Feedback weitergeholfen?
- Was wünscht du dir für die Rückmeldungen zu deinen Texten in dieser Feedback-Gruppe?
- Welche negativen Erfahrungen hast du zum Thema Textfeedback schon gemacht?
- Warum war das Feedback ein negatives Erlebnis?
- Was soll in der Feedbackrunde in dieser Gruppe nicht passieren?
5) Formuliere konkrete Verbesserungsvorschläge und beziehe deine Kritik auf die relevanten Textstellen. „Ich finde den Text zu kompliziert.“ hilft dem/der Verfasser*in nur sehr begrenzt weiter. „Ich bin in den ersten beiden Absätzen über die Satzlänge gestolpert und mir ist auch noch nicht klar, wie die Aussagen miteinander in Beziehung stehen“, gibt hingegen konkrete Anhaltspunkte für eine Verbesserung des Textes.
Online Textfeedbackrunde: Wie läuft das konkret ab?
Ich stelle einen möglichen Ablauf für ein Treffen (d)einer online Textfeedback-Gruppe vor. Die einzelnen Schritte sind Vorschläge und können gerade am Anfang helfen, Zeit zu sparen. So müsst ihr euch nicht mit der Frage „Und wie machen wir das jetzt eigentlich?“ aufhalten.
Wenn ihr merkt, dass ein anderes Vorgehen für eure Gruppe hilfreicher wäre. Sofort ändern!
Rollenverteilung
Der/Die Moderator*in
- Zeitmanagement
- Das Feedback anhand der konkreten Fragen zum Text moderieren.
- Sicherstellen, dass die vereinbarten Grundsätze für konstruktives Textfeedback von allen eingehalten werden.
- Den/die Verfasser*in gegebenenfalls daran erinnern, dass er/sie sich nicht verteidigen oder erklären muss.
Der/Die Verfasser*in/Autor*in des Textes
Der/Die Verfasser*in des Textes, der gerade besprochen wird, hört zu, was die anderen sagen. Die Entscheidung, welche Rückmeldung er/sie mitnehmen bzw. welche Verbesserungsvorschläge er/sie berücksichtigen möchte, liegt allein bei ihm/ihr.
Wichtig: Erkläre oder verteidige deinen Text in dieser Rolle nicht. Du musst die Feedback-Geber*innen nicht von deiner Formulierung/Struktur etc. überzeugen. Es geht darum, unterschiedliche Perspektiven auf deinen Text zu hören. Also: Zuhören und schweigen . Wenn dir das sehr schwer fällt, kannst du dein Mikrofon stumm schalten. So ist die Versuchung sich in das Feedback zum eigenen Text “einzumischen” erfahrungsgemäß kleiner.
Der/Die Feedback-Geber*in
Ablauf einer Textfeedbackrunde (Schritt für Schritt)
Schritt 1: Klärung: Wozu wird Feedback benötigt ?
- Wie würdest du den Text in einem Satz zusammenfassen (Kernaussage)?
- Welche Information/Welcher Satz ist dir in Erinnerung geblieben?
- Struktur: Ist der Aufbau des Textes nachvollziehbar/schlüssig?
- Was bleibt beim Lesen unklar? (inhaltlich, sprachlich, strukturell)
- Fehlen dir Informationen? Worüber würdest du gerne mehr wissen?
Mehr Vorschläge, zu welchen Punkten du Rückmeldung einholen kannst, findest du beispielsweise im Infoblatt KONSTRUKTIVES FEEDBACK: TEXTFEEDBACK EINHOLEN UND GEBEN des Schreibzentrums der TU Dresden.
Der/Die Verfasser*in kann zur „Orientierung“ auch KURZ darüber Auskunft geben in welchem Überarbeitungsstadium sich der Text befindet (Rohtext, einmal überarbeitet, bereits mehrmals überarbeitet, abgabefertig).
Schritt 2: AutorIn liest den eigenen Text laut vor
Ja, auch wenn es vielleicht ungewohnt ist, lies deinen Text unbedingt selbst laut vor.
Warum? Das verrate ich dir in diesem Beitrag: Warum du beim Überarbeiten deines Textes unbedingt laut werden solltest
Wenn der/die Verfasser*in absolut nicht selbst lesen will, übernimmt der/die Moderator*in diese Aufgabe.
Schritt 3 (optional): Moderator*in liest den Text laut vor
Wenn es zeitlich möglich ist, empfiehlt es sich den Text zweimal vorzulesen. So haben die Feedback-Geber*innen mehr Möglichkeit den Text aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Ist die Zeit knapp, wird nur einmal gelesen.
Tipp:
Wird der Text zweimal gelesen, ist es als Feedback-Geber*in hilfreich, beim ersten Lesen nur zuzuhören und erst beim zweiten Vorlesen selbst mitzulesen. So bekommst du einen besseren Eindruck davon, inwieweit du die Inhalte nachvollziehen kannst, ohne den Text vor dir zu sehen.
Schritt 4: Notizen machen
Nach dem Lesen bekommen alle 5-10 Minuten Zeit, sich Notizen zu machen.
- Was gefällt mir besonders gut?
- Wo ist etwas unklar?
- Wo habe ich Verbesserungsvorschläge?
Das kann gleich direkt im elektronischen Dokument passieren. Alternativ ist es möglich sich den Text auszudrucken und handschriftlich zu notieren.
Die Datei en mit den Notizen bekommt der/die Autor*in im Anschluss.
Achte daher als Feedback-Geber*in darauf, dass die schriftlichen Anmerkungen verständlich und wertschätzend sind.
Schritt 5: Fragen an die Feedback-Geber*innen (moderiertes Textfeedback)
Die Fragen, die der/die Verfasser*in an die Feedback-Geber*innen hat, werden nun eine nach der anderen von dem/der Moderator*in laut vorgelesen. Alle Teilnehmer*innen auch der/die Moderator*in, beantworten die jeweilige Frage kurz und bündig. Dabei dürfen sich die Rückmeldungen wiederholen, aber auch widersprechen und komplett unterschiedlich sein. Schließlich geht es darum, die subjektiven Sichtweisen auf den Text abzuholen.
Überarbeitungsvorschläge werden auf konkrete Textstellen bezogen. Der/Die Verfasser*in des Textes muss genug Zeit bekommen, um die jeweilige Stelle zu finden und den Vorschlag nachzuvollziehen. Hierfür kann es hilfreich sein, wenn der Text im Videokonferenz-Tool geteilt wird und so für alle sichtbar ist.
Schritt 6: Einen motivierenden Kommentar auf den Text schreiben
Abschließend schreibt jede/r Feedback-Geber*in einen motivierenden Kommentar für den/die Autor*in auf den Text und stellt diesen (inklusive der Anmerkungen aus Schritt 4) dem/der Verfasser*in zur Verfügung.
Es kann entweder direkt die kommentierte Datei übermittelt werden oder auch ein Foto/Scan der handschriftlichen Anmerkungen.
Wichtig: Ein motivierender Kommentar ist ein rein positiver Kommentar. Das Wort “aber” kommt darin nicht vor.
So, jetzt bist du dran: Starte deine online Textfeedback-Gruppe!
Wer es einfach nicht schafft, mit seinen MitstreiterInnen einen gemeinsamen Termin für eine online Feedbackrunde zu finden oder die technischen Voraussetzungen für eine Videokonferenz nicht hat, muss übrigens nicht auf ein online Text-Feedback verzichten. Textfeedback-Gruppen funktionieren auch zeitversetzt (asynchron). Wie? Das erklären Gerti Kohlruss und Dr. Eva-Maria Lerche in diesem spannenden Blog-Beitrag: Alle in ihrem eigenen Tempo – zeitversetztes (asynchrones) Online-Textfeedback
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Bildquelle: Canva
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