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Warum du beim Überarbeiten deines Textes unbedingt laut werden solltest

Laut vorlesen hilft dir beim Überarbeiten
Geschrieben von Veronika

Wenn es darum geht einen Text laut vorzulesen, denken wir oft sofort an das schillernde Endprodukt, den fertigen Text. Dabei ist es schon während des Bearbeitungsprozesses extrem hilfreich, den eigenen Text nicht „nur“ zu lesen, sondern dabei auch mal laut zu werden. 😉

Die meisten Menschen nehmen schließlich den ganzen Tag lang Text in gesprochener Form wahr. Wir sind geschulte Zuhörer_innen. Angenehme Sprachrhythmen und leicht verständliche Textstrukturen erkennen wir schnell und wir hören es sofort, wenn die Wortwahl oder der Ton unpassend sind. Diese Geheimwaffe sollten wir auch für unsere eigenen Texte nutzen!

Dabei muss es gar nicht immer darum gehen den Text einem Publikum vorzutragen. Es genügt, ihn sich selbst laut vorzulesen. Unserem Gehirn wird der Text dann in einer neuen Form präsentiert und es kommen Problemstellen und Fehler zutage, die wir sonst einfach überlesen hätten.

Lautes Vorlesen in den Überarbeitungsprozess aufzunehmen, ist aus meiner Sicht für alle Textsorten hilfreich. Es ist egal, ob es um das kreative Schreiben geht, die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit oder um einen Fachtext.

„Lies es laut“ empfiehlt zum Beispiel die Autorin Jessie Burton in ihren 10 Schreibtipps. Auch im Buch Erfolgreich Texten* von Doris Märtin ist Folgendes zu lesen:

Vorlesen ist die sicherste Methode, geschraubte oder langweilige Textstellen zu entlarven. Nebenbei finden Sie viele Mängel, die Ihnen beim Durchlesen entgehen wie Grammatikfehler Wiederholungen, umständliche Satzkonstruktionen oder ausgelassene Wörter.

Das Writing Center der University of Carolina at Chapel Hill stellt auf seiner Webseite ein Handout mit dem Titel Reading Aloud zur Verfügung. Auch hier die Empfehlung: Lies deinen Text laut. Gerade bei wissenschaftlichen Texten wird nämlich oft erst durch lautes Vorlesen klar, ob Argumente schlüssig aufgebaut sind oder ob Erklärungen und Übergänge fehlen. Beim Zuhören ist schließlich kein Zurückblättern und „noch mal schnell nachlesen“ möglich.

Und wie mach ich das jetzt am besten?

Wie immer beim Schreiben gilt: Ausprobieren. Wann und wie oft es für deinen Schreibprozess sinnvoll ist den Text anderen oder dir selbst laut vorzulesen, kannst du nur so herausfinden. Auch welche Problemstellen und Fehler einem eher beim Lesen oder beim Hören auffallen, ist – denke ich – von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Auf folgende Punkte lohnt es sich in jedem Fall, zu achten:

  • Zu lange Sätze/langatmige Stellen
  • Unschlüssige Passagen z. B. aufgrund von fehlenden Erklärungen oder Übergängen
  • Rhythmus des Textes
  • Ton/Stimmung des Textes
  • Unpassende Wortwahl
  • Grammatik
  • Wiederholungen
  • Fehlende Wörter

Zuhörer_innen oder nicht, selbst lesen oder andere lesen lassen? Es gibt viele Möglichkeiten beim Überarbeiten laut zu werden 😉. Welche das sind und welche Erfahrungen ich damit gemacht habe, möchte ich hier kurz vorstellen:

Sich den Text selbst laut vorlesen

Oft habe ich beim Überarbeiten nicht die Rahmenbedingungen, um mir meinen Text in voller Lautstärke selbst vorzulesen. Aus diesem Grund murmle ich meine Texte beim Überarbeiten meist halblaut vor mich hin. So, dass ich es gerade noch hören kann, aber sonst niemand. Bei diesem halblauten Vorlesen fallen mir Fehler in der Textstruktur besser auf. Ich merke schneller als beim Lesen, wenn Sätze zu lang sind oder Formulierungen nicht funktionieren. Ich merke, wie der Text klingt, wie MEIN Text klingt. Oft habe ich das Gefühl, dass der Text erst wirklich zu meinem Text wird, wenn ich ihn mir vorlese. Mir wird erst dann richtig bewusst, dass ich es bin, die etwas sagen will.

Dieses vor mich hin murmeln finde ich so hilfreich, dass ich es bei fast allen Texten als Überarbeitungsschritt einsetze, zum Beispiel auch bei längeren E-Mails. Ich lese am Computer und arbeite meine Änderungen gleich ein. Es wird oft empfohlen den Text auszudrucken, aber das mache ich bei diesem Schritt ehrlich gesagt fast nie.

TIPP:

Beim Korrekturlesen kann es hilfreich sein, den Text satzweise von hinten nach vorne zu lesen, um sich besser auf die Struktur des einzelnen Satzes konzentrieren zu können.

Den Text anderen Menschen vorlesen

Ich bin in Feedbackrunden von Schreibworkshops draufgekommen, wie hilfreich es für mich ist, den eigenen Text anderen Menschen vorzulesen. Dabei geht es gar nicht nur um das konstruktive Feedback, das nach dem Vorlesen hoffentlich auf einen wartet. Allein der Prozess des Vorlesens, ist extrem hilfreich.

Anfangs hatte ich beim Vorlesen meines Textes vor anderen Menschen einen Puls von 160, kalte Hände und aufgestellte Nackenhärchen. Ich war definitiv außerhalb meiner Komfortzone. Mittlerweile bin ich immer noch sehr aufgeregt, aber ich empfinde auch so etwas wie Vorfreude.

Wenn ich den Text ohne Zuhörer_innen laut lese, bin ich automatisch mit einer höheren Lesegeschwindigkeit unterwegs. Selbst wenn ich versuche, betont langsam zu lesen, gelingt mir dies bei längeren Texten oft nicht. Ein Publikum (und sei es nur eine Person) zwingt mich mein Lesetempo zu drosseln. Ich konzentriere mich noch stärker auf den Text. Holprige Stellen und komplizierte Satzstrukturen fallen mir beim Vorlesen schneller auf. Spätestens wenn ich bei einem Satz den Faden verliere, wird klar, dass ich ihn noch überarbeiten muss.

Ich finde auch die Reaktion der Zuhörer_innen spannend. Wo wird zustimmend gegrunzt oder vielleicht sogar gelacht. Gibt es eine Passage, wo es besonders leise wird, wo alle gespannt zuhören? Was ich mittlerweile auch gelernt habe, ist, dass eine Textstelle, die mich selbst beim Vorlesen zum Lachen bringt, in der Regel überarbeitet werden muss. Was ich sogar beim Vorlesen noch lustig finde, versteht außer mir meist keiner. Klingt traurig, ist aber so 😉.

Wenn ich meinen Text, jemand anderem vorlese, habe ich ihn gerne ausgedruckt vor mir liegen. Auf diese Weise ist es einfacher, schnell handschriftlich etwas zu notieren und trotzdem im Lesefluss zu bleiben.

Sich den Text von jemand anderem Vorlesen lassen

Während meiner Schulzeit habe ich meine Texte nie selbst vorgelesen. Ich habe mich geweigert. Es war mir peinlich. Eingesprungen ist meine Schulfreundin Irene. Ich war ihr damals sicher nicht so dankbar dafür, wie ich es hätte sein müssen. Deshalb an dieser Stelle: Liebe Irene ein dickes Dankeschön für die vielen vorgelesenen Texte! 😊.

Es ist immer spannend, zu hören wie andere Leser_innen, eigene Texte laut vorlesen. Sind Rhythmus und Betonung, so wie ich sie im Kopf hatte? Wie wirkt der Text auf mich, wenn ich ihn mit einer anderen Stimme höre? In meinem Überarbeitungsprozess hilft mir dieser Schritt vor allem beim Feinschliff.

In Feedbackgruppen finde ich die Abfolge, die ich im writersstudio kennengelernt habe sehr hilfreich. Zuerst liest man den Text selbst einmal vor. Das zweite Vorlesen übernimmt dann wer anderer. Auf diese Weise hat man beim zweiten Vorlesen auch selbst Zeit sich ausführlichere Notizen zu machen.

TIPP:

Um sich anzuhören, wie jemand anderer den eigenen Text vorliest, muss man nicht unbedingt im gleichen Raum sein. Das funktioniert auch sehr gut über das Telefon, Skype, FaceTime, etc.

Dein Computer liest für dich: Text–to–Speech Programme

Wer keine Feedbackgruppe oder Vorleser_in zur Unterstützung hat, kann sich mit Technik behelfen. Text-to-Speech Programme lesen dir deinen Text vor.

Die Funktion „Laut vorlesen“ bietet beispielsweise auch Microsoft Word. Eine Anleitung wo du sie im Menü findest, kannst du hier nachlesen. Ansonsten finden sich online eine Vielzahl an kostenlosen Readern. Ich persönlich finde den TTSReader sehr angenehm. Er funktioniert unkompliziert und ich kann den Text, den ich mir vorlesen lassen möchte direkt ins Browser-Fenster kopieren.

Ich muss zugeben, die Stimmen können am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber seinen eigenen Text auf diesem Weg  zu hören, hilft definitiv Schachtelsätze und Grammatikfehler zu erkennen.

Und du?  Wie immer würden wir uns freuen, wenn du deine Erfahrungen, Fragen oder Tipps zu dem Thema in den Kommentaren mit uns teilst!

 

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Bildquelle: Free-Photos, Pixabay

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