Autor*in im Gespräch

Blick hinter die Kulissen – Elf Fragen an die Ghostwriterin – Mag. Dolores Omann

Geschrieben von Sonja

1. Wie ist dein Bezug/Zugang zum Schreiben?

Schreiben ist mein Beruf.

2. Was macht eine Ghostwriterin? Unterschied zur Lektorin?

Als Lektorin arbeite ich mit Texten, die bereits von AutorInnen verfasst wurden, oder ich begleite sie im Schreibprozess. Ich gebe ihnen Feedback aus der Leserperspektive, ich achte auf Struktur, Logik in der Argumentation und inhaltliche Vollständigkeit, bearbeite die Texte stilistisch und grammatikalisch, schreibe Klappentexte und bereite in Zusammenarbeit mit den Verlagen das Buch auf den Druck vor. 

Als Ghostwriter schreibe ich ein Buch zur Gänze selbst, im ständigen Austausch mit dem offiziellen Autor. Wir erarbeiten in Interviews die Inhalte, ich mache zusätzliche Recherchen und wickle auch hier die Prozesse mit den Verlagen ab. Übrigens: Ich mache kein akademisches Ghostwriting!

3. Wonach entscheidest du, ob du einen Ghostwriting-Auftrag übernimmst?

Das wichtigste Kriterium ist für mich, ob die Chemie zwischen dem Auftraggeber/der Auftraggeberin und mir stimmt. Wir müssen uns sympathisch sein, ich muss einen Zugang zu seiner/ihrer Denkweise finden, mich mit den Inhalten identifizieren bzw. mich dafür interessieren und die betreffende Person in meinem Kopf „hören“ können, wenn ich schreibe.

Idealerweise wird die Beziehung so vertrauensvoll und mein Wissen auf dem Gebiet meines Klienten so umfangreich, dass er sagt: „Schreib du das, du kennst dich eh aus.“ Und zum fertigen Text sagt er dann: „Das klingt wie ich.“

4. Was magst du an deinem Beruf? Was nicht so sehr?

Besonders dankbar bin ich für die Freiheit, an einem sonnigen Tag einfach mal im Grünen zu schreiben, für die interessanten Menschen und Themen, die ich durch meinen Beruf kennenlernen darf und dafür, dass ich extrem viel dazulernen muss. Obwohl ich jetzt fünf Minuten darüber nachgedacht habe, fällt mir nichts ein, was ich nicht mag. So wie vermutlich alle Schreibenden habe ich auch manchmal Selbstzweifel, aber ich habe gelernt, sie in eine gesunde Relation zu setzen, damit sie mich nicht blockieren.

5. Erzählst du uns ein „Schmankerl“ aus deinem Leben als Ghostwriterin? Eine Situation, die lustig/anstrengend etc. war?

Ich mag es, zum Beispiel bei Veranstaltungen neben meinen Autoren zu stehen, wenn sie von Lesern gelobt werden und ich entweder den ursprünglichen Zustand ihres Manuskripts kenne oder überhaupt das Buch geschrieben habe. Anstrengend war es, das erste 250-Seiten-Buch – ich hatte vorher noch nie eines geschrieben – innerhalb von zwei Monaten fertigzustellen. Hat mit einer großen Portion Naivität und Mut aber funktioniert.

6. Hast du einen Tipp, worauf Menschen, die schreiben möchten, achten sollen? Kennst du Schreibblockaden? Wie gehst du damit um?

Wer schreiben möchte, soll einfach schreiben. Laufen lernen wir ja auch nur durchs Probieren und Reflektieren. Für mich war wichtig zu erkennen, wie mein Schreibprozess funktioniert.

Ich weiß, dass sich die Schleusen öffnen, sobald ich genügend Informationen gesammelt habe und sie eine Weile in mir gearbeitet haben. Auf diese Prozesse sollte man vertrauen und ich habe – zumindest bei mir – bemerkt, dass sich dieser Prozess den Rahmenbedingungen (z. B. Deadlines) durchaus anpasst. Wichtig ist aber auch, sich von der Vorstellung zu lösen, dass ein Text auf Anhieb perfekt sein muss – er darf überarbeitet werden. Wenn es sehr schnell gehen muss, fange ich daher einfach an zu schreiben – entweder es passt sofort, oder das Schreiben selbst bzw. die Überarbeitung bringt mich auf die richtige Fährte. Man muss nicht vorher schon alles im Kopf haben, das Schreiben selbst ist ja ein Denk- und Reflexionsprozess.

7. Schreibst du auch für dich? Denkst du daran ein eigenes Buch zu veröffentlichen?

Ich war eigentlich nie eine Freizeitschreiberin, sondern immer eine Arbeitsschreiberin. Mein Handwerk habe ich im Journalismus und in der PR gelernt, und ich schreibe auch heute noch in erster Linie Sach- und Fachtexte. Die Realität mit ihren Zusammenhängen habe ich immer faszinierender gefunden als Fantasiewelten. In der letzten Zeit bin ich aber wesentlich offener für andere Genres und Zielgruppen – zum Beispiel Kinder – und merke, dass mir das Spaß macht. Privat führe ich seit ein paar Monaten halbwegs regelmäßig ein Gratitude Journal – ansonsten schreibe ich ohnehin den ganzen Tag, da ist’s dann auch mal genug. Ein eigenes Buch halte ich für möglich, auch da vertraue ich aber auf den Prozess. Ich werde es wissen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

8. Stört es dich nie, dass dein Name nachher nicht aufscheint?

Mein Name erscheint im Impressum und so gut wie immer in den Danksagungen. Ganz unsichtbar bin ich also nicht. Und wenn meine Rechnung bezahlt wurde, stört es mich überhaupt nicht, dass mein Name nicht am Cover ist, das war ja der Deal. Außerdem ist der fachliche Experte immer noch mein Kunde, er liefert den Inhalt. Ich hätte aber natürlich nichts dagegen, auch mal am Cover zu erscheinen – da gibt es für die Zusammenarbeit mit Ghostwritern ja inzwischen neue Formen der Präsentation.

9. Gibt es ein Schreibseminar, das du empfehlen kannst?

Da ich ursprünglich aus dem Journalismus und der PR komme und mich als Lektorin ständig weiterbilde, habe ich in erster Linie Kurse beim Kuratorium für Journalistenausbildung, bei der APA, bei der Deutschen Presseakademie und der Akademie der deutschen Medien besucht. Außerdem habe ich am Schreibzentrum der Universität Klagenfurt einen zweijährigen Lehrgang für Schreibberatung absolviert, der für mich wichtig war, weil ich ja Menschen beim Schreiben begleite. Tolle Schreibseminare macht Peter Linden (www.peterlinden.de): Er lädt interessante Vertreter anderer „Branchen“ ein, zum Beispiel Künstler und Filmmusiker, die einen Einblick in ihre Arbeitsweise geben. Das erweitert den Blick aufs Schreiben um weitere Dimensionen.

10. Leseempfehlung

Meine Leseempfehlung ist, so viele unterschiedliche Texte wie möglich zu lesen und zu analysieren, um ein Gefühl für unterschiedliche Genres, Sprache, Stil und Wirkung zu entwickeln.

Grundsätzlich halte ich mich von allen dogmatischen Ratgebern fern, die einem diktieren wollen, dass Sätze zum Beispiel immer kurz sein müssen und man dieses und jenes nicht darf. Manche Ratschläge haben natürlich ihre Berechtigung, prinzipiell lese ich solche Bücher allerdings als Anregung, um meine eigenen Texte zu überdenken und aus anderen Perspektiven zu betrachten. Das Buch, das mich am meisten gefesselt hat, war „Der Baader-Meinhof-Komplex“* von Stefan Aust. Unglaublich in der Qualität der Recherche und erzählerisch fesselnd.

11. Was macht ein gutes Buch für dich aus?

Privat weiß ich nach den ersten zwei bis drei Zeilen, ob ich weiterlesen will oder nicht. Bücher werden meistens gut, wenn der Autor/die Autorin aus dem Herzen schreibt.

Man merkt, wenn sich jemand beim Schreiben geplagt hat oder nur einen Trend bedienen wollte. Bei Sach- und Fachbüchern sind Struktur und Übersichtlichkeit für mich ein wichtiges Kriterium. Und wenn es jemand schafft, ohne Klischees, Plattitüden und abgedroschene Sprachbilder auszukommen, ist das wunderbar.

Kontaktdaten: Mag. Dolores Omann, Email: do@doloresomann.com

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Foto: Karin Ahamer Photography

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