Autor*in im Gespräch

Autor im Gespräch 6 – Nachgefragt: Alexander Greiner | Ein Jahr nach der Buchveröffentlichung

Geschrieben von Sonja

Das erste Gespräch in unserer Interviewreihe “Autor*innen im Gespräch” führten wir vor ca. einem Jahr mit Alexander Greiner. Uns interessiert, wie sich sein Leben als Schreibender weiterentwickelt hat, in einem zweiten Interview stellen wir ihm u.a. folgende Fragen: 

  • Wie war das Gefühl das eigene Buch das erste Mal in der Hand zu halten?
  • Hat Alexander seine Art zu schreiben verändert?
  • Gelingt es ihm seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen?
  • Sind die Verkaufszahlen zufriedenstellend?
  • Mit welchen Marketingaktivitäten kurbelt er den Buchverkauf an?
  • Wie geht Alexander mit kritischem Feedback um?
  • Gibt es neue Schreibprojekte?

1. Vor ca. einem Jahr habe ich dich anlässlich der bevorstehenden Veröffentlichung deines ersten Buches „Als ich dem Tod in die Eier trat“ interviewt. Kannst du dich noch an das Gefühl erinnern, als du dein Buch, das erste Mal in der Hand hattest? Wie war es?

Die Druckerei lieferte die Bücher während meines Urlaubs an den Verlag. Daher kam ich erst zwei Tage vor dem Erscheinungstermin in den Genuss, es in Empfang zu nehmen. Ich war gerade einmal zur Tür des Verlagsbüros hereingekommen, stand noch im Vorraum, da eilte eine Mitarbeiterin zum Regal mit den Neuerscheinungen, um mir mein erstes Exemplar zu überreichen. 

Wie es war? Ziemlich schräg, unnatürlich, nahezu surreal. Zwei Jahre Arbeit zwischen zwei Buchdeckel gepackt! Und wunderschön: Das bläuliche Dunkelgrün des Einbands, dessen Wellenprägung mich an einen sommerlichen Bergsee erinnerte; perfekt dazu passend das frische Türkis des Vorsatzpapiers, wie das reflektierte Sonnenlicht an den seichten Uferstellen; das Papier als genialste Mischung aus griffig und glatt, die hübsche Schrift, der Geruch. Ich ließ es gar nicht mehr los, als ich später (noch immer am Gang) mit meiner Lektorin plauderte. Klar war ich geblendet, denn ich vermute, es geht jede*r Autor*in in diesem Moment so – ich war außerdem begeistert davon, wie toll der Verlag mein Manuskript in Szene gesetzt hat.

2. Ich durfte bei deiner ersten Buchpräsentation dabei sein, die Buchhandlung war sehr gut besucht: Welche Reaktionen gab es auf dein Buch?

Bis auf einzelne Ausnahmen, die ich auf einer Hand abzählen kann, erhielt ich höchst positive Rückmeldungen. Viele lobten die Offenheit und Leichtigkeit, mit der ich über meine metastasierte Hodenkrebs-Erkrankung spreche. Ich bekam auch bald Zuschriften von Krebspatient*innen oder deren Angehörigen, dass ihnen das Buch bei der Bewältigung der Krankheit hilft, ihnen Hoffnung gibt und Mut macht. 

Darüber hinaus wurde es auch von der Presse positiv aufgenommen. Ich hatte sehr viel Medienpräsenz mit meiner Geschichte eines achtsamen Umgangs mit Krebs. Ein paar Interviews wurden sogar in Deutschland ausgestrahlt. Aus meinem persönlichen Umfeld wurde mir gesagt, dass ihnen das Buch auch in emotional belastenden Situationen wie Trennungen oder zur Entscheidungsfindung half. Ich bin sehr zufrieden damit, wie das Buch aufgenommen wird.

3. Du hast damals in unserem Gespräch erzählt, dass der Buchtitel zuerst im Verlag wenig Anklang gefunden hat: Wie wurde der Titel von den Leser*innen/Buchhändler*innen angenommen? Rückblickend betrachtet – hast du dich „richtig“ entschieden?

Ich glaube, es gibt kein richtig oder falsch bei einem Buchtitel, denn es wird immer Menschen geben, die ihn vollends bejubeln, und solche, für die er gar nicht geht. Wenn ich mich recht erinnere, kam die Kritik damals hauptsächlich aus dem Vertrieb. Bei der Veröffentlichung stand aber der ganze Verlag und auch dessen Umfeldorganisation dahinter. Viele sprachen von einem mutigen, knackigen, eindrücklichen, tollen Titel – andere wiederum sagten, dass ihnen der Titel zu brutal sei.

In einigen Interviews, vor allem im Fernsehen, kam es zu der lustigen Situation, dass sich Moderatoren (ja, es sind ausdrücklich Männer gemeint) mit dem Titel schwer taten. Sie trauten sich nicht, “Eier” über ihre Lippen kommen zu lassen, oder mogelten sich darüber hinweg. Vielleicht haben wir manche mit dem Witz abgeschreckt, aber ich glaube nicht, dass wir zu weit gegangen sind. Der Titel passt. Es allen recht machen zu wollen, klappt nicht. Das Wichtigste ist, dass ich bei meiner Zielgruppe mit dem lockeren aber zugleich ernsthaften Schreibstil ankomme.

4. Wie hat sich dein Leben als Schreibender weiterentwickelt?

»Jetzt musst du kein Kind mehr zeugen«, sagte meine Nachbarin am Erscheinungstag. »Ein Buch veröffentlichen ist wie Kinderkriegen.« Ich kam mir wie upgelevelt vor, so als hätte ich die nächste Stufe erreicht. Die Lesungen, das Medieninteresse und die Rückmeldungen der Leser*innen zeigen, dass ich nicht mehr nur zur Selbstreflexion und als unbezahltes Hobby schreibe, sondern für eine breitere Öffentlichkeit. Und genau um diese Wirkung geht es mir: Ich habe zuerst mir selbst während der Erkrankung geholfen, und unterstütze nun andere dabei, sich zu helfen.

5. Hast du deine Art zu schreiben bzw. dein Schreibprozess verändert?

Anfangs hat der Terminrummel und später die Pandemie dafür gesorgt, dass ich nicht mehr an regelmäßigen Schreibtreffs teilnahm. Das fehlt mir bis heute. Glücklicherweise habe ich es nach der Lockerung geschafft, einzelne Arbeitstreffen mit befreundeten Schreibenden abzuhalten.

Was ich erkannt habe: Mit einem Buchvertrag in der Tasche, einem zu überarbeitenden Manuskript am Laptop und einem Veröffentlichungstermin im Nacken, bin ich zuhause sehr produktiv. Für kreatives Schaffen, wenn ich noch nicht genau weiß, was bei der Texterstellung rauskommt, brauche ich allerdings andere Umgebungen. Das fällt mir daheim vielfach schwer.

Was sich konkret geändert hat ist die Herangehensweise an den Text.

Ich weiß, dass ich extrem viel schreiben muss und dieser Rohtext oft überarbeitet werden muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Das erscheint aber jetzt abgebrühter, als es ist. Denn es ist immer noch eine Herausforderung für mich, beim Schreiben den Blick auf die Verwendbarkeit zur Veröffentlichung zu ignorieren.

6. Was magst/schätzt du am „Autorenleben“?

Mich damit zu beschäftigen, was mir Spaß bereitet und wofür mein Herz brennt. Und aktuell die relativ freie Zeiteinteilung.

7. Gibt es Tätigkeiten/Aufgaben, die mit dem „Autor sein“ verbunden sind, die du gerne delegieren würdest?

Es fällt mir schwer, die Akquise für Vorträge und Lesungen mit dem laufenden Füttern der Social-Media-Kanäle und dem gleichzeitigen Arbeiten an neuen Projekten unter einen Hut zu bekommen. 

Hätte ich jemanden für Booking und Marketing, wäre mir sehr geholfen, aber mit diesem Problem bin ich nicht alleine. Jede*r Selbstständige steht vor dieser Herausforderung. Würde Geld keine Rolle spielen, hätte ich diese Aufgaben an eine Agentur ausgelagert.

8. Bist du mit den Verkaufszahlen von deinem Buch zufrieden? Was unternimmst du, um den Buchverkauf anzukurbeln – hast du dazu Tipps für unsere Leser*innen?

Gemessen an der Präsenz in den Medien hätte der Verkauf im ersten Jahr besser laufen können. Ich schätze, dass viele Menschen Berührungsängste mit den im Buch behandelten Themen haben und sich deshalb trotz des Hoffnungsaspekts nicht drüber trauen. Aber ich bin mit dem Absatz zufrieden und soweit ich weiß, ist es auch der Verlag. Viel wichtiger ist sowieso, wie das Buch bei der Zielgruppe ankommt. Die Zuschriften, die ich erhalte, zeugen davon, dass es seinen Zweck erfüllt.

Am wichtigsten ist es, Fürsprecher zu haben, denn den höchsten Effekt hat immer noch Empfehlungsmarketing. Bei meinen abendfüllenden Vorträgen lief der Buchverkauf im Vergleich zum viel kürzeren Lesungsformat wesentlich besser. Wir brauchen uns nichts vormachen, bei der Flut an Büchern, die jedes Jahr auf den deutschsprachigen Markt kommen, braucht es mehrere "Kontakte" für jede*n Interessentin*en, bis ein Buch letztlich gekauft wird. Also ist laufendes Im-Blick-Halten notwendig.

9. Angehenden Autor*innen wird oft gesagt, dass man vom Schreiben allein nicht leben kann. Welche Erfahrungen hast du gemacht? Gelingt es dir deinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen

Für sich gesehen stimmt die Aussage sicher nicht, denn es gibt sehr wohl Menschen, die allein vom Schreiben leben können – aber ich weiß, was gemeint ist. Es müsste an ein Wunder grenzen, wenn das erste Buch derart einschlägt, dass mit den Tantiemen der Lebensunterhalt bestritten werden kann. 

Bei mir ist das aktuell klarerweise nicht der Fall. Aber es entwickelt sich ganz langsam in die richtige Richtung. Zum Beispiel habe ich seit August einen Job (vorerst noch geringfügig) als Redakteur bei einem Online-Magazin, das sich mit dem Lebensumstand Krebs auseinandersetzt. Und ich unterstütze einen jungen Autor in seinem Buchprojekt mit meiner Erfahrung. So gehe ich Schritt für Schritt voran. Das langfristige Ziel ist natürlich, dass ich das Leben irgendwann mit dem Schreiben und damit verbundenen Tätigkeiten (Vorträge, Lesungen, Mentoring, Seminare usw.) finanzieren kann.

10. Du schreibst aktuell an einem neuen Buch. Magst/Darfst du uns bereits etwas darüber verraten?

Erstens bin ich noch nicht so weit, wie ich gern wäre, und zweitens ändert sich laufend so vieles. Es wird jedenfalls ein Roman, so viel kann ich sagen, und es gibt eine weibliche Hauptfigur, die von ihrer Nachbarin einen Campervan erbt, mit dem sie alleine verreist. Natürlich passiert dann Unvorhergesehenes und sie begibt sich unwissentlich auf die Spur ihrer eigenen Vergangenheit. 

Aktuell bin ich dabei, die gesamte Vorgeschichte auszuarbeiten, ihr Familiensystem, die Stationen und Wendepunkte ihres früheren Lebens, inklusive der Lebensläufe und Charakterisierung aller Nebenfiguren. Das Manuskript selbst schreitet dementsprechend langsam voran. Aber es ist sehr spannend!

11. Gibt es eine Frage, die ich nicht gestellt habe, die Du allerdings gerne gefragt worden wärst bzw. gerne beantwortet hättest 😉?

Eine Schreibfreundin hat mir unlängst von sehr zermürbendem Feedback auf ihr Manuskript berichtet. Da ist mir eine wichtige Schreibregel wieder eingefallen:

Lass dich von überkritischem Feedback nicht einschüchtern. Manchmal erhältst du Textfeedback, das mehr über die Person selbst aussagt, als über deinen Text an sich. Wenn du die Kritik möglichst objektiv beleuchtest und einen Tag später immer noch der Meinung bist, dass der Text gut ist, wie er ist, dann stimmt dein Gefühl. Schreib weiter und am Ende wird es passen. (Oder du kommst irgendwann drauf, dass du die beanstandeten Passagen gar nicht für deine Aussage brauchst, und kannst sie löschen. Eine weitere Schreibregel.)

Herzlichen Dank für das Interview, liebe Sonja! 🙂

Danke für das Gespräch, Alex und viel Freude und Erfolg mit deinen Schreibprojekten!

Du hast die ersten Folgen unserer Interviewreihe “Autor*innen im Gespräch” versäumt? Hier kannst du sie nachlesen:

Interview 1: Alexander Greiner: “Als ich dem Tod in die Eier trat”

Interview 2: Klaus Rafenstein: “Der Weg zur exzellenten Führungskraft – Leuchtturm sein!”

Interview 3: Lena Raubaum: “Die Knotenlöserin”, “Qualle im Krankenhaus”, Qualle im Tierheim”

Interview 4: Barbara Wimmer: „Tödlicher Crash“

Interview 5: Bardia Monshi, Mathias Berthold: “Positiv Denken allein hilft auch nicht.”

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Bildquelle: Fotocredit: Kurier/Jürg Christandl; Buchcover: Kremayr & Scheriau

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